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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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hö-her als die wilder Beeren und Wurzeln. Stellen Sie sich einmal vor, wie solche Wilde, erschöpft von der Suche nach Nüssen und Beutetieren, plötzlich eine Obstplan­tage kurz vor der Ernte oder eine Weide voller Schafe erblickten. Welchen Bruchteil einer Sekunde würde es wohl dauern, bis sie begriffen, wo die Vorteile der Land­wirtschaft liegen?
    Die Vertreter der Fortschrittsperspektive gehen noch weiter und bezeichnen die Landwirtschaft als Vorausset­zung für die Entstehung der Kunst, jener edelsten Blü-te des menschlichen Geistes. Da landwirtschaftliche Er­zeugnisse gelagert werden können und es weniger Zeit kostet, sie selbst anzubauen, als im Dschungel nach ih­nen zu suchen, bescherte uns die Landwirtschaft freie Zeit, die Jäger und Sammler nie besaßen. Freie Zeit ist jedoch eine Vorbedingung für die Schaffung und den Genuß von Kunstwerken. Letztlich war es deshalb die Landwirtschaft, die uns als größte Geschenke den Par­thenon-Tempel und die h-Moll-Messe bescherte.
    Unter den Hauptmerkmalen unserer Kultur ist die Landwirtschaft noch recht jungen Datums – sie tauchte erst vor 10 000 Jahren auf. Keiner unserer Verwandten unter den Primaten praktiziert etwas auch nur entfernt Vergleichbares. Vielmehr besteht die engste Parallele im Tierreich zu den Ameisen, die nicht nur die Domestika­tion von Pflanzen, sondern auch von Tieren erfanden.
    Die Domestikation von Pflanzen ist das Merkmal etwa eines Dutzends verwandter Arten von Neuwelt-Amei­sen. Diesen ist gemein, daß sie alle bestimmte Pilze (un­ter anderem Hefepilze) in Beeten im Innern ihrer Nester anbauen. Statt normale Erde dafür zu nehmen, bereitet jede Art einen speziellen Kompost : Manche verwenden Raupenkot, andere Insektenleichen oder abgestorbene Pflanzenteile und wieder andere (die sogenannten Blatt­schneiderameisen) frische Blätter, Stengel und Blumen. Dazu ein Beispiel : Die Blattschneiderameisen zerteilen abgeschnittene Blätter in Stücke, kratzen fremde Pil­ze und Bakterien ab und schaffen sie in ihre unterirdi­schen Nester. Dort werden die Blattfragmente zu feuch­ten, breiigen Kügelchen zerdrückt und mit Ameisenspei­chel und -kot gedüngt. Danach säen die Ameisen darauf die bevorzugten Pilzarten aus, die ihnen als Haupt- oder ausschließliche Nahrung dienen. Ähnlich wie beim Un­krautjäten im Garten sind die Ameisen ständig damit beschäftigt, Sporen anderer Pilzarten zu entfernen, die auf dem Blattbrei wachsen. Fliegt eine Königin davon, um eine neue Kolonie zu gründen, trägt sie eine An­fangskultur des kostbaren Pilzes mit sich. Das erinnert an menschliche Pioniere, die Saat mit auf die Reise neh­men.
    Was die Domestikation von Tieren betrifft , so beschaf­fen sich Ameisen »Honigtau«, ein konzentriertes, zuckerhaltiges Sekret von diversen Insekten, darunter Rau­pen, Blatt- und Schildläusen. Als Gegenleistung für den Honigtau schützen die Ameisen ihre »Milchkühe« vor natürlichen Feinden und Parasiten. Manche Blattläu­se entwickelten sich quasi zum insektären Gegenstück unserer Haustiere : Sie verloren alle offensiven Körper­merkmale, scheiden aus dem Anus Honigtau aus und haben eine spezielle Anusanatomie, die den Ameisen das Trinken des Sekrets erleichtert. Zum Melken ihrer Kühe und zur Ingangsetzung des Honigtauflusses schla­gen die Ameisen die Blattlaus mit den Fühlern. Einige Ameisen sind dafür eigens abgestellt, den Winter über im Nest für die Blattläuse zu sorgen; im Frühling tragen sie sie dann im richtigen Entwicklungsstadium aus dem Nest und plazieren sie im richtigen Teil der richtigen Nahrungspflanze. Wenn ihnen schließlich Flügel wach­sen und sie sich auf die Suche nach einer neuen Heimat machen, haben einige das Glück, von Ameisen entdeckt und »adoptiert« zu werden.
    Natürlich haben wir die Domestikation von Pflanzen und Tieren nicht direkt von den Ameisen übernommen, sondern neu erfunden. Eigentlich ist »Erfunden« aber nicht der richtige Ausdruck, da es sich bei unseren er­sten Schritten in Richtung Landwirtschaft nicht um be­wußte Experimente mit klarem Ziel handelte. Vielmehr erwuchs die Landwirtschaft aus menschlichen Verhal­tensweisen und pflanzlichen und tierischen Reaktionen oder Veränderungen, die ungewollt zur Domestikation führten. Bei Tieren kam es zum Teil deshalb dazu, weil Wildtiere als Heimtiere gehalten wurden, und zum Teil, weil Tiere lernten, Vorteile aus der Nähe des Menschen zu ziehen (so wie Wölfe oft Jägern folgen, um

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