Der dritte Schimpanse
aller Ruhe das Kerosin und war am nächsten Morgen so glücklich und bei so gutem Befinden wie immer.
Ich kann kaum glauben, daß das Kerosin Ardys Gesundheit nicht schadete. Kannte er denn keine harmlosere Methode, seine körperliche Form periodisch zu testen? Doch für Ardy und die anderen Kung-Fu-Meister diente das Kerosintrinken als Indikator ihrer Kraft und ihres fortgeschrittenen Leistungsstands im Kung-Fu. Nur ein wahrhaft robuster Mensch konnte den Test überstehen. Das Kerosintrinken veranschaulicht die Handikap-Theorie des Gebrauchs gift iger Substanzen in einer Form, die uns ungefähr genauso bestürzt, wie Zigaretten und Alkohol Ardy mit Abscheu erfüllen.
Im letzten Beispiel will ich meine Theorie nun auch auf die Vergangenheit ausdehnen, und zwar auf die Zivilisation der Mayas, die vor ein- bis zweitausend Jahren in Mittelamerika in Blüte stand. Archäologen waren fasziniert davon, daß mitten im tropischen Regenwald eine hochentwickelte Gesellschaft entstanden war. Viele Errungenschaften der Mayas wie ihr Kalender, ihre Schrift , ihre astronomischen Kenntnisse und ihre Landwirtschaft sind weitgehend erforscht. Gerätselt wurde jedoch lange über den Zweck jener dünnen Röhren, die immer wieder bei Ausgrabungen auftauchten.
Ihre Bedeutung wurde erst ersichtlich, als man bemalte Vasen fand, auf denen Szenen abgebildet waren, in denen die Röhren vorkamen : Sie dienten zur Verabreichung rauscherzeugender Einläufe. Auf den Vasenbildern erhielt eine ranghohe Persönlichkeit, offenbar ein Priester oder Prinz, vor den Augen anderer einen zeremoniellen Einlauf. Die Einlaufröhre führt zu einem Behälter mit einem schaumigen, bierähnlichen Getränk, das vermutlich Alkohol oder Halluzinogene oder beides enthält, worauf die Praktiken anderer Indianerstämme hindeuten. Viele mittel- und südamerikanische Stämme hatten ähnliche Bräuche, als die ersten europäischen Entdecker eintrafen, und manche halten noch heute daran fest. Das Spektrum verwendeter Sub stanzen reicht von Alkohol (hergestellt durch Fermentierung von Agavensaft oder einer Baumrinde) über Tabak bis hin zu Peyotl (Mescalin), LSD-Derivaten und aus Pilzen gewonnenen Halluzinogenen. Der zeremonielle Einlauf gleicht somit der bei uns üblichen oralen Einnahme von Rauschmitteln; es sprechen jedoch vier Gründe dafür, daß ein Einlauf ein viel wirksamerer Indikator für Stärke ist als das Trinken.
Erstens kann man sich zum Trinken an einen abgeschiedenen Ort begeben und so die Gelegenheit verpassen, anderen seinen hohen Rang zu signalisieren. Dagegen ist es für einen einzelnen viel mühsamer, sich das gleiche Getränk ohne fremde Hilfe als Einlauf zu verabreichen. Einläufe eignen sich eher als Gruppenerlebnis und schaffen so automatisch Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Zweitens erfordert es mehr Stärke, Alkohol als Einlauf zu konsumieren, als ihn zu trinken, da er ja vom Darm direkt in die Blutbahn gelangt, statt erst im Magen mit vorher Gegessenem verdünnt zu werden. Drittens passieren im Dünndarm absorbierte Stoffe bei Nahrungsaufnahme durch den Mund zunächst die Leber, wo viele entgiftet werden, bevor sie das Gehirn und andere empfindliche Organe erreichen können. Im Unterschied dazu umgehen rektal in den Körper gelangende Substanzen die Leber. Und viertens sind der mündlichen Flüssigkeitsaufnahme durch den Brechreiz Grenzen gesetzt, ebenfalls im Unterschied zum Einlauf. Das alles zeigt, daß sich Einläufe viel besser zur Signalisierung von Überlegenheit eignen als das, was in der bekannten Whiskyreklame gezeigt wird. Ich kann dieses Konzept jeder ambitionierten PR-Agentur, die das Werbe budget einer großen Schnapsbrennerei im Visier hat, daher nur wärmstens empfehlen.
Lassen Sie uns nun einen Schritt zurücktreten und ein Fazit ziehen. Die regelmäßige Anwendung chemischer Substanzen gegen den eigenen Körper mag zwar eine Besonderheit des Menschen sein, sie fügt sich jedoch in ein breites Muster tierischer Verhaltensweisen ein und hat somit zahllose Parallelen im Tierreich. Alle Arten standen vor dem Problem, Signale zur schnellen Übermittlung von Botschaften an andere Tiere zu entwickeln. Handelte es sich um solche, die jedes Tier meistern oder erwerben konnte, war es um die Glaubwürdigkeit schlecht bestellt. Um wirksam und glaubhaft zu sein, muß ein Signal die Ehrlichkeit des Signalgebers verbürgen, und das geschieht am besten, indem es mit
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