Der dritte Schimpanse
fliegende Untertassen oder Funkgeräte. Deshalb könnte man erwarten, daß viele Arten im Verlauf konvergierender Evolution unabhängig voneinander die Specht-Nische besetzten. Sie bietet zuverlässige Futterbestände in Form von Insekten, die unter der Baumrinde oder im Stamm leben, und Saft. Da Baumstämme das ganze Jahr über Insekten und Saft enthalten, bleiben den Besetzern der Specht-Nische saisonale Wanderungen erspart.
Der zweite Vorteil der Specht-Nische ist ihre erstklassige Eignung zum Nestbau. Eine Bruthöhle in einem Baum bedeutet eine stabile Umwelt mit relativ konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Schutz vor Wind, Regen, Austrocknung und Temperaturschwankungen und ein Versteck vor natürlichen Feinden. Andere Vogelarten sind zwar in der Lage, abgestorbene Bäume auszuhöhlen, eine geringere Leistung, aber natürlich gibt es viel weniger tote als lebende Bäume.
All das bedeutet, daß, wenn wir schon auf eine konvergierende Evolution der Funkkommunikation setzen, wir gewiß mit einer konvergierenden Evolution des Spechttums rechnen können. Kein Wunder, daß Spechte sehr erfolgreiche Vögel sind. Es gibt fast 200 Arten, von denen viele eine weite Verbreitung haben. Ihre Größe reicht vom Spatzen- bis zum Krähenformat. Mit wenigen Ausnahmen, auf die ich noch eingehen werde, kommen sie fast überall auf der Welt vor.
Wie schwer mag es sein, durch Evolution zum Specht zu werden? Zwei Gedanken legen die Antwort nahe: »Nicht sehr schwer.« Spechte sind keine extrem besondere, alte Artengruppe ohne enge Verwandte, wie etwa eierlegende Säugetiere. Vielmehr stimmen Ornithologen seit langem darin überein, daß die nächsten Verwandten der Spechte die afrikanischen Honiganzeiger, die Tukane und Bartvögel der tropischen Alten Welt sind, denen die Spechte ziemlich stark ähneln, sieht man von den Anpassungen für ihre spezielle Lebensweise ab. Spechte besitzen eine Vielzahl solcher Anpassungen, von denen aber keine so außergewöhnlich ist wie der Bau von Funkgeräten, und alle sind leicht als Erweiterungen von Anpassungen erkennbar, die auch andere Vögel besitzen. Sie lassen sich in vier Gruppen einteilen.
Die erste Gruppe von Anpassungen ist am auffallendsten und dient dem Bohren von Löchern in Holz. Dazu zählen der kräftige, gerade, meißeiförmige Schnabel mit harter, horniger Spitze, Federn zum Schutz der Nasenlöcher vor eindringendem Sägemehl, ein dicker Schädel, eine kräftige Kopf- und Nackenmuskulatur, eine breite Schnabelbasis und ein Gelenk zwischen ihr und der Schädelvorderseite, um die Erschütterungen beim Hacken zu verteilen, und möglicherweise eine Gehirn-/Schä-delkonstruktion wie bei einem Fahrradhelm, um das Gehirn vor Erschütterungen zu schützen. Diese Merkmale lassen sich viel leichter zu Merkmalen anderer Vogelarten zurückverfolgen als Funkgeräte auf primitive Vorläufer bei den Schimpansen. Viele andere Vögel, zum Beispiel Papageien, hacken oder beißen Löcher in totes Holz. Manche Bartvögel bringen sogar Höhlen in lebendem Holz zustande, sind dabei allerdings viel langsamer und ungeschickter als Spechte und hacken von der Seite statt von vorn. Innerhalb der Spechtfamilie gibt es große Unterschiede im Hackvermögen – manche Arten können überhaupt keine Höhlen bohren, viele sind auf weichere Holzsorten spezialisiert und manche eben auf Hartholz.
Eine zweite Gruppe von Anpassungen erlaubt es dem Specht, an Bäumen mühelos auf- und abwärts zu klettern. Dazu zählen die steifen Schwanzfedern als Stützvorrichtung, starke Muskeln zur Kontrolle des Schwanzes, kurze Beine, lange Zehen mit stark gekrümmten Krallen und eine Mauserung des Schwanzgefieders, bei der das zum Abstützen unentbehrliche Paar Schwanzfedern erst ganz zuletzt abgeworfen wird. Die Evolution dieser Anpassungen läßt sich noch leichter zurückverfolgen als die Anpassungen an das Bohren von Löchern in Stämmen. Selbst von den Angehörigen der Spechtfamilie besitzen nicht alle steife Schwanzfedern zum Abstützen. Viele Arten, die nicht zu den Spechten zählen, zum Beispiel Baumläufer und Zwergpapageien, haben andererseits steife Schwanzfedern, mit denen sie sich auf der Rinde Halt verschaffen.
Die dritte Anpassung ist die extrem lange, weit vorstreckbare Zunge, die bei manchen Spechtarten der des Menschen in der Länge nicht nachsteht. Ist ein Specht an einer Stelle in das Tunnelsystem holzbewohnender Insekten eingedrungen, kann
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