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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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er mit seiner Zunge viele Verzweigungen auslecken, ohne jedesmal ein neues Loch bohren zu müssen. Manche Spechtarten haben an der Zungenspitze kleine Widerhaken zum Aufspießen von Insekten, wieder andere besitzen große Speicheldrüsen, mit denen sie ihre Zunge klebrig machen und so Insek­ten fangen. Für die Zungen der Spechte gibt es viele Par­allelen bei anderen Tierarten, zum Beispiel die ähnlich langen und ebenfalls zum Insektenfang dienenden Zun­gen der Frösche, Ameisenbären und Erdferkel.
    Viertens und letztens haben Spechte eine robuste Haut, die sie vor Insektenstichen und den vom Hämmern und den starken Muskeln ausgehenden Belastungen schützt. Jeder, der Erfahrungen mit dem Abziehen von Vogelhaut besitzt, weiß, daß manche Arten eine viel kräftigere Haut haben als andere. Tierpräparatoren fluchen, wenn man ihnen eine Taube gibt, deren papierdünne Haut schon beim Angucken fast zerreißt, freuen sich hingegen über jeden Specht, Habicht oder Papagei.
    Spechte sind zwar auf vielfältige Weise an ihre speziel­le Lebensweise angepaßt, aber die meisten dieser An­passungen gibt es auch bei anderen Vogel- oder Tierar­ten, und für die Besonderheiten ihres Schädelbaus lassen sich wenigstens Vorläufer finden. Man könnte deshalb erwarten, daß das ganze Bündel von Anpassungen, die bei Spechten zu beobachten sind, im Zuge der Evolution wiederholt entstand, und daß es deshalb viele Gruppen von Tieren gibt, die, um Futter zu suchen oder Bruthöh­len zu bauen, Löcher in Bäume hacken. Manche Tier­arten, die aufgrund ihrer besonderen Ernährungsweise gleich klassifiziert wurden, erwiesen sich später als po­lywlicher stammesgeschichtlicher Herkunft entwickel­ten ähnliche Anpassungen. Man weiß heute von Geiern, daß sie polyphyletisch sind, und vermutet es von Fleder­mäusen und Robben. Aber für eine Polyphylie der Spech­te fehlt jeder Hinweis, auch aus der Molekularbiologie. Alle heutigen Spechtarten sind enger miteinander ver­wandt als mit irgendwelchen anderen Arten. Ihre spezi­elle Lebensweise entwickelte sich anscheinend nur ein­mal. Selbst auf entlegenen Landmassen im Ozean, wie Australien, Neuguinea und Neuseeland, die der Specht nie erreichte, brachte die Evolution kein anderes Lebewe­sen hervor, das die prächtigen Möglichkeiten nutzt, wel­che die Lebensweise des Spechts bietet. Zwar höhlen ei­nige Vögel und Säugetiere jener Regionen totes Holz aus oder bohren in Baumrinde, doch das ist nur eine schwa­che Entschuldigung für das Fehlen von Spechten. Auch kann keines dieser Tiere Holz aushöhlen, das noch lebt. Hätte die Evolution nicht jenes eine Mal entweder in der Alten oder in der Neuen Welt Spechte hervorgebracht, wäre eine erstklassige Nische auf der ganzen Welt unbe­setzt geblieben.
    Ich habe den Spechten so viel Raum gewidmet, um zu zeigen, daß Konvergenz kein universelles Phänomen ist und daß nicht jede vorhandene Gelegenheit auch tat­sächlich ergriffen wird. Das gleiche hätte ich auch an­hand anderer, ebenso geeigneter Beispiele verdeutlichen können. Die für Tiere am leichtesten zugängliche Nah­rung sind zweifellos Pflanzen, und die bestehen zum wesentlichen Teil aus Zellulose. Dennoch gelang es noch keinem höherstehenden Tier, ein Enzym zur Verdauung von Zellulose zu entwickeln. Diejenigen Pflanzenfres­ser, die sich von Zellulose ernähren, müssen vielmehr die Dienste von Mikroben in Anspruch nehmen, die in ihren Gedärmen wohnen. Keiner dieser Pflanzenfres­ser erreicht auch nur annähernd die Effizienz von Wie­derkäuern, zum Beispiel Kühen. Auch der Anbau eige­ner Nahrung böte Tieren einen offensichtlichen Vorteil, wie wir in Kapitel 10 sahen. Doch die einzigen Tiere, die vor dem Debüt der Landwirtschaft vor 10 000 Jahren auf diesen Dreh kamen, waren Blattschneiderameisen und ihre Verwandten nebst einigen weiteren Insekten, die Pilze anbauen bzw. Blattlaus-»Kühe« halten.
    Es erwies sich somit als außerordentlich schwierig, selbst so offenkundig nützliche Anpassungen zu entwickeln wie die Lebensweise der Spechte, die effiziente Verdauung von Zellulose und den Anbau von Nahrung. Funkgeräte bringen viel weniger Nutzen für die Ernäh­rung, und die Wahrscheinlichkeit ihres Auftauchens während der Evolution dürfte deshalb noch viel geringer sein. Haben wir demnach einen Zufallstreffer gelandet, der im Weltall vermutlich sondergleichen ist?
    Was lehrt uns die Biologie über die Zwangsläufigkeit der Evolution des Funks auf der Erde ?

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