Der dritte Schimpanse
kulturellen Unterschiede wurden früher auf eine genetische Überlegenheit der vordringenden, »hö-her entwickelten« Völker über die eroberten »Wilden« zurückgeführt. Dafür fehlt indessen jeder Beweis. Daß Erbanlagen die ihnen zugedachte Rolle spielen könnten, wird schon durch die Leichtigkeit widerlegt, mit der Menschen unterschiedlichster Abstammung fremde kulturelle Techniken meistern, wenn sie nur die Gelegenheit bekommen, sie zu erlernen. Neuguineer, deren Eltern noch in der Steinzeit lebten, fliegen heute moderne Jets, und Amundsen und sein norwegisches Team konnten den Südpol nur erreichen, weil sie den Eskimos abgeguckt hatten, wie man mit Hundeschlitten reist.
Es stellt sich also vielmehr die Frage, warum manche Völker auch ohne nachweisbare genetisch bedingte Überlegenheit die kulturellen Vorteile erwarben, die sie zu Herren über andere Völker werden ließen. War es zum Beispiel purer Zufall, daß die aus Äquatorialafrika stammenden Bantu-Völker die Khoisaniden (Hottentotten und Buschmänner) in den meisten Teilen des südlichen Afrikas verdrängten und nicht umgekehrt ? Zwar können wir bei Eroberungen kleineren Ausmaßes nicht erwarten, die letztlich entscheidenden Umweltfaktoren ausfindig zu machen, aber wenn wir unser Augenmerk auf größere, über längere Zeiträume erfolgte Bevölkerungsverschiebungen richten, dürfte der Zufall weniger ins Gewicht fallen, und die wirklich ursächlichen Faktoren sollten deutlicher zum Vorschein treten. In Kapitel 14 und 15 werden zwei der größten solcher Verschiebungen in der jüngeren Geschichte untersucht: das Vordringen der Europäer nach Amerika und Australien und das große Rätsel, wie die indogermanischen Sprachen einen so großen Teil Eurasiens von ihrer ursprünglich begrenzten Ausgangsbasis aus überrennen konnten. Wir werden im ersten Fall klar erkennen und im zweiten eher Spekulationen darüber anstellen, wie die Kultur und Wettbewerbsposition jeder Gesellschaft von ihrem biologischen und geographischen Erbe geprägt ist, insbesondere davon, welche Pflanzen- und Tierarten sich zur Domestikation anboten.
Die Rivalität unter Artgenossen ist keine Besonderheit des Menschen. Bei allen Tierarten sind die größ-ten Rivalen zwangsläufig die Angehörigen der gleichen Art, da sie die stärkste ökologische Ähnlichkeit aufweisen. Starke Unterschiede gibt es jedoch in den Formen, die der Konkurrenzkampf annimmt. In der einfachsten Form fressen sich Rivalen gegenseitig das Futter weg, ohne daß offene Aggression ausbricht. Um eine milde Eskalation handelt es sich bei rituellen Darbietungen oder beim Verjagen von Rivalen. Als letztes Mittel wird der Gegner umgebracht, ein inzwischen bei vielen Arten nachgewiesenes Verhalten.
Erhebliche Unterschiede bestehen auch darin, wer an den Auseinandersetzungen beteiligt ist. Bei den meisten Singvögeln, zum Beispiel beim Rotkehlchen, kämpfen einzelne Männchen oder Paare gegeneinander. Bei Löwen und gewöhnlichen Schimpansen ziehen kleine Gruppen von Männchen, oft Brüder, gemeinsam in den Kampf, der auch tödlich enden kann. Wölfe und Hyä-nen liefern sich rudelweise Gefechte, während Ameisenstaaten regelrecht Krieg gegen andere Staaten führen. Kämpfe dieser Art mögen zwar für einzelne Tiere mit dem Tod enden, aber es gibt keine Tierart, deren Überleben als ganze durch sie auch nur im entferntesten gefährdet wäre.
Wie die meisten Tierarten konkurrieren auch Menschen um Raum. Da wir in Gemeinschaften leben, spielt sich der Konkurrenzkampf zum Großteil in Form kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Gemeinschaften ab, gleicht also eher den Kriegen zwischen Ameisenstaaten als den Kämpfen der Rotkehlchen. Ähnlich wie bei Wölfen und gewöhnlichen Schimpansen waren auch bei uns die Beziehungen zwischen Nachbarstämmen traditionell von Ablehnung gegenüber Fremden gekennzeichnet, unterbrochen nur durch den gelegentlichen Austausch von Gatten (bei unserer Spezies auch von Gütern). Fremdenfeindlichkeit ist beim Homo sapiens besonders naheliegend, da unser Verhalten so stark kulturell und nicht genetisch bestimmt ist und so ausgeprägte kulturelle Unterschiede zwischen menschlichen Populationen bestehen. Diese Merkmale machen es uns, im Gegensatz zu Wölfen und Schimpansen, leicht, Mitglieder fremder Gemeinschaften auf einen Blick an der Kleidung oder Haartracht als solche zu erkennen.
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