Der dritte Schimpanse
noch unbesiedelter Gebiete, sondern auch darum, daß manche Populationen andere unterwarfen, vertrieben oder umbrachten. Wir eroberten nicht nur die Welt, sondern auch unseresgleichen. Somit war die Ausbreitung des Menschen von einer weiteren Besonderheit unserer Spezies gekennzeichnet, die zwar Vorläufer im Tierreich hat, aber von uns weit über die Grenzen alles bisher Gekannten gesteigert wurde : dem Hang zum massenhaften Umbringen Angehöriger unserer eigenen Spezies. Nebst der Zerstörungswut, mit der wir der Umwelt begegnen, ist dieser Hang eine der beiden potentiellen Ursachen für unseren möglichen Niedergang.
Um zu begreifen, was unser Aufstieg zu Eroberern der Welt bedeutet, müssen wir uns vor Augen führen, daß die meisten Tierarten nur ein recht kleines Verbreitungsgebiet haben. So beschränkt sich der Lebensraum des Hamilton-Frosches auf ein 15 Hektar großes Waldstück und einen Steinhaufen von 600 Quadratmetern in Neuseeland. Der neben dem Menschen am weitesten verbreitete Landsäuger war einst der Löwe, der noch vor 10 000 Jahren den größten Teil Afrikas, viele Gebiete Eurasiens, Nordamerikas und des nördlichen Südamerika bewohnte. Doch selbst in seiner besten Zeit erreichte er niemals Südostasien, Australien, den Süden von Sü-damerika, die Polarregionen oder Inseln im Meer.
Der Mensch bewohnte einst ein säugetiertypisches, beschränktes Verbreitungsgebiet in warmen, unbewaldeten Gegenden Afrikas. Noch vor 50 000 Jahren lebten wir ausschließlich in tropischen Regionen Afrikas und Eurasiens mit mildem Klima. Dann aber brachen wir auf und begaben uns Zug um Zug nach Australien und Neuguinea (vor rund 50 000 Jahren), in kalte Gegenden Europas (vor 30 000 Jahren), nach Sibirien (vor 20 000 Jahren), Nord- und Südamerika (vor rund 11 000 Jahren) und Polynesien (vor 3600 bis 1000 Jahren). Inzwischen hat der Mensch nicht nur alle Landflächen besiedelt oder doch wenigstens besucht, sondern er ist auch dabei, den Grund der Meere zu erforschen und ins All vorzustoßen.
Im Verlauf dieses Eroberungsprozesses vollzog sich innerhalb unserer Spezies ein grundlegender Wandel in den Beziehungen zwischen einzelnen Populationen. Bei den Tieren gliedern sich Arten mit genügend großer geographischer Verbreitung in Populationen, die zwar mit benachbarten Populationen in Kontakt stehen, aber wenig oder gar keinen Kontakt mit entfernten Populationen haben. Auch in dieser Hinsicht war der Mensch eine Säugetierart unter vielen. Bis vor relativ kurzer Zeit verbrachten die meisten Menschen ihr ganzes Leben im Umkreis weniger Dutzend Kilometer um ihren Geburtsort und hatten keine Gelegenheit, auch nur von der Existenz von Menschen in weiter entfernten Gebieten zu erfahren. Die Beziehungen zwischen benachbarten Stämmen kennzeichnete eine gespannte Balance zwischen Interesse am Handel und der Feindseligkeit gegenüber fremden Artgenossen.
Verstärkt wurde diese Zersplitterung noch durch den Hang jeder menschlichen Population zur Ausbildung einer eigenen Sprache und Kultur. Die gewaltige räumliche Expansion unserer Spezies vergrößerte zunächst die sprachliche und kulturelle Vielfalt in gigantischem Ausmaß. Allein in Neuguinea und Nord- und Südamerika – beides Gebiete, die erst innerhalb der letzten 50 000 Jahre von Menschen besiedelt wurden – entstand etwa die Hälfte aller modernen Sprachen. Ein großer Teil der überlieferten kulturellen Vielfalt verschwand in den letzten 5000 Jahren mit dem Aufkommen zentralistischer Staatsgebilde. Die Reisefreiheit, eine Erfindung der Neuzeit, trägt das ihre zur sprachlichen und kulturellen Angleichung bei. In wenigen Teilen der Welt, insbesondere in Neuguinea, hielten sich Steinzeittechnik und traditionelle Fremdenfeindlichkeit jedoch bis ins 20. Jahrhundert und vermitteln uns ein letztes Bild davon, wie es auch im Rest der Welt einst war.
Der Ausgang von Konflikten zwischen expandierenden menschlichen Populationen war in starkem Maße von kulturellen Diskrepanzen bestimmt. Von besonderer Bedeutung waren Unterschiede in der Militär- und Schiffahrtstechnik, in der politischen Ordnung und in der Landwirtschaft. Wer über die leistungsfähigere Landwirtschaft verfügte, hatte den militärischen Vorteil einer größeren Bevölkerung, konnte ein stehendes Heer unterhalten und besaß Immunität gegen Infektionskrankheiten, die sich in spärlicheren Populationen nicht entwickeln konnte.
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