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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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genannten Symptome durch Verän­derungen eines einzigen, durch das Tay-Sachs-Gen de­finierten Enzyms hervorgerufen werden, aber wir wis­sen nicht genau wie. Da dieses Enzym an vielen Stellen im Gewebe unseres Körpers vorkommt und einen weit­verbreiteten Zellbestandteil zerlegt, haben Veränderun­gen in diesem einen Enzym weitreichende und am Ende tödliche Folgen. Umgekehrt werden manche Merkma­le, wie die Größe des Erwachsenen, gleichzeitig von ei­ner Vielzahl von Genen und zudem von Umweltfakto­ren (z. B. der Ernährung im Kindesalter) beeinflußt.
    Die Wissenschaft besitzt zwar heute ein gutes Ver­ständnis der Funktion vieler Gene, die für bekannte Ein­zelproteine verantwortlich sind, viel weniger weiß man jedoch über die Rolle von Genen im Hinblick auf kom­plex bestimmte Merkmale, wie zum Beispiel die meisten Verhaltensweisen. Es wäre absurd anzunehmen, daß so charakteristische Merkmale des Menschen wie Kunst, Sprache oder Aggression von einzelnen Genen abhin­gen. Verhaltensunterschiede zwischen menschlichen In­dividuen unterliegen offenbar in hohem Maße Umwelt­einflüssen, und dabei ist die Rolle der Gene äußerst um­stritten. Für Verhaltensweisen, die sich bei Schimpansen und Menschen konstant unterscheiden, sind genetische Unterschiede jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit von Bedeutung, wenngleich die verantwortlichen Gene noch nicht identifiziert wurden. So hängt die menschliche Fähigkeit zur Sprache, im Unterschied zu Schimpan­sen, mit Sicherheit von Genen ab, die die Anatomie des Stimmapparates und die Nervenverbindungen im Ge­hirn festlegen. Ein Schimpansenkind, das im Haus eines Psychologen-Ehepaars zusammen mit ihrem gleichaltri­gen Baby aufwuchs, behielt das Aussehen eines Schim­pansen und lernte weder sprechen noch aufrecht gehen. Ob menschliche Sprößlinge hingegen fließend Englisch oder Koreanisch lernen, ist genunabhängig und einzig eine Folge der sprachlichen Umgebung im Kindesal­ter, was auch die sprachliche Entwicklung koreanischer Kleinkinder beweist, die von englischsprachigen Eltern adoptiert wurden.
    Was läßt sich vor diesem Hintergrund über die 1,6 Prozent unserer DNS aussagen, die sich von der Schim­pansen-DNS unterscheiden ? Bekannt ist, daß sich die Gene für das wichtige Hämoglobin nicht unterschei­den und bestimmte andere Gene nur geringfügige Dif­ferenzen aufweisen. Bei den neun Proteinketten, die bis heute sowohl beim Menschen als auch beim gewöhnli­chen Schimpansen untersucht wurden, unterscheiden sich nur fünf von insgesamt 1271 Aminosäuren : eine Aminosäure in einem Muskelprotein mit der Bezeich­nung Myoglobin, eine in einer sekundären Hämoglo­binkette (der sogenannten Deltakette) und drei in dem Enzym Carboanhydrase. Wir wissen jedoch noch nicht, welche Abschnitte unserer DNS für die funktionell be­deutsamen Unterschiede zwischen Mensch und Schim­panse verantwortlich sind, die in den Kapiteln 2 bis 7 behandelt werden: das unterschiedliche Hirnvolumen, die Anatomie des Beckens, des Stimmapparats und der Geschlechtsorgane, die Behaarungsdichte, der weibli­che Menstruationszyklus, das Klimakterium und ande­re Merkmale. Diese wichtigen Veränderungen beruhen sicher nicht auf den bisher aufgedeckten Unterschieden bei fünf Aminosäuren. Heute können wir mit Gewißheit nur soviel sagen : Ein Großteil unserer DNS ist »Schrott« ; das steht zumindest für einen Teil der 1,6 Prozent, die sich zwischen Mensch und Schimpanse unterscheiden, bereits fest. Die funktionell bedeutsamen Unterschie­de müssen deshalb auf einen bislang noch nicht identifi -zierten Bruchteil der 1,6 Prozent beschränkt sein.
    Innerhalb dieses kleinen Bruchteils unserer DNS ha­ben einige Unterschiede stärkere Konsequenzen für un­seren Körper als andere. Zunächst einmal lassen sich die meisten Aminosäuren von Proteinen durch minde­stens zwei alternative Nukleotidbasen-Sequenzen in der DNS definieren. Veränderungen in den Nukleotidba­sen von einer solchen Sequenz zu einer alternativen sind »stumme« Mutationen, die keine Veränderungen in den Aminosäure-Sequenzen von Proteinen bewirken. Selbst wenn eine Veränderung in einer Base dazu führt, daß eine Aminosäure durch eine bestimmte andere ersetzt wird, ähneln sich doch einige Aminosäuren sehr stark in ihren chemischen Eigenschaften oder sind in relativ unempfindlichen Teilen von Proteinen angesiedelt.
    Andere Teile von Proteinen sind dagegen entschei­dend für deren Funktion. Wird eine

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