Der dritte Schimpanse
genannten Symptome durch Veränderungen eines einzigen, durch das Tay-Sachs-Gen definierten Enzyms hervorgerufen werden, aber wir wissen nicht genau wie. Da dieses Enzym an vielen Stellen im Gewebe unseres Körpers vorkommt und einen weitverbreiteten Zellbestandteil zerlegt, haben Veränderungen in diesem einen Enzym weitreichende und am Ende tödliche Folgen. Umgekehrt werden manche Merkmale, wie die Größe des Erwachsenen, gleichzeitig von einer Vielzahl von Genen und zudem von Umweltfaktoren (z. B. der Ernährung im Kindesalter) beeinflußt.
Die Wissenschaft besitzt zwar heute ein gutes Verständnis der Funktion vieler Gene, die für bekannte Einzelproteine verantwortlich sind, viel weniger weiß man jedoch über die Rolle von Genen im Hinblick auf komplex bestimmte Merkmale, wie zum Beispiel die meisten Verhaltensweisen. Es wäre absurd anzunehmen, daß so charakteristische Merkmale des Menschen wie Kunst, Sprache oder Aggression von einzelnen Genen abhingen. Verhaltensunterschiede zwischen menschlichen Individuen unterliegen offenbar in hohem Maße Umwelteinflüssen, und dabei ist die Rolle der Gene äußerst umstritten. Für Verhaltensweisen, die sich bei Schimpansen und Menschen konstant unterscheiden, sind genetische Unterschiede jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit von Bedeutung, wenngleich die verantwortlichen Gene noch nicht identifiziert wurden. So hängt die menschliche Fähigkeit zur Sprache, im Unterschied zu Schimpansen, mit Sicherheit von Genen ab, die die Anatomie des Stimmapparates und die Nervenverbindungen im Gehirn festlegen. Ein Schimpansenkind, das im Haus eines Psychologen-Ehepaars zusammen mit ihrem gleichaltrigen Baby aufwuchs, behielt das Aussehen eines Schimpansen und lernte weder sprechen noch aufrecht gehen. Ob menschliche Sprößlinge hingegen fließend Englisch oder Koreanisch lernen, ist genunabhängig und einzig eine Folge der sprachlichen Umgebung im Kindesalter, was auch die sprachliche Entwicklung koreanischer Kleinkinder beweist, die von englischsprachigen Eltern adoptiert wurden.
Was läßt sich vor diesem Hintergrund über die 1,6 Prozent unserer DNS aussagen, die sich von der Schimpansen-DNS unterscheiden ? Bekannt ist, daß sich die Gene für das wichtige Hämoglobin nicht unterscheiden und bestimmte andere Gene nur geringfügige Differenzen aufweisen. Bei den neun Proteinketten, die bis heute sowohl beim Menschen als auch beim gewöhnlichen Schimpansen untersucht wurden, unterscheiden sich nur fünf von insgesamt 1271 Aminosäuren : eine Aminosäure in einem Muskelprotein mit der Bezeichnung Myoglobin, eine in einer sekundären Hämoglobinkette (der sogenannten Deltakette) und drei in dem Enzym Carboanhydrase. Wir wissen jedoch noch nicht, welche Abschnitte unserer DNS für die funktionell bedeutsamen Unterschiede zwischen Mensch und Schimpanse verantwortlich sind, die in den Kapiteln 2 bis 7 behandelt werden: das unterschiedliche Hirnvolumen, die Anatomie des Beckens, des Stimmapparats und der Geschlechtsorgane, die Behaarungsdichte, der weibliche Menstruationszyklus, das Klimakterium und andere Merkmale. Diese wichtigen Veränderungen beruhen sicher nicht auf den bisher aufgedeckten Unterschieden bei fünf Aminosäuren. Heute können wir mit Gewißheit nur soviel sagen : Ein Großteil unserer DNS ist »Schrott« ; das steht zumindest für einen Teil der 1,6 Prozent, die sich zwischen Mensch und Schimpanse unterscheiden, bereits fest. Die funktionell bedeutsamen Unterschiede müssen deshalb auf einen bislang noch nicht identifi -zierten Bruchteil der 1,6 Prozent beschränkt sein.
Innerhalb dieses kleinen Bruchteils unserer DNS haben einige Unterschiede stärkere Konsequenzen für unseren Körper als andere. Zunächst einmal lassen sich die meisten Aminosäuren von Proteinen durch mindestens zwei alternative Nukleotidbasen-Sequenzen in der DNS definieren. Veränderungen in den Nukleotidbasen von einer solchen Sequenz zu einer alternativen sind »stumme« Mutationen, die keine Veränderungen in den Aminosäure-Sequenzen von Proteinen bewirken. Selbst wenn eine Veränderung in einer Base dazu führt, daß eine Aminosäure durch eine bestimmte andere ersetzt wird, ähneln sich doch einige Aminosäuren sehr stark in ihren chemischen Eigenschaften oder sind in relativ unempfindlichen Teilen von Proteinen angesiedelt.
Andere Teile von Proteinen sind dagegen entscheidend für deren Funktion. Wird eine
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