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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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überrannten Ame­rika jedoch nicht in einem Schritt, und so fanden Ar­chäologen auch nicht in der gesamten Neuen Welt des 16. Jahrhunderts Überreste einer unverändert übernom­menen europäischen Kultur. Denn diese war im Grenz­gebiet der ins Indianerland vorrückenden weißen Sied­ler kaum von Nutzen. Die Kultur der Einwanderer stellte vielmehr eine stark abgewandelte oder sogar Mischform dar, die indogermanische Sprachen und viele europä-ische Technologien (zum Beispiel Gewehre und Eisen) mit indianischen Kulturpflanzen und (vor allem in Mit­tel- und Südamerika) indianischen Genen vereinte. In etlichen Gebieten der Neuen Welt dauerte es viele Jahr­hunderte, bis sich indogermanische Sprache und Wirt­schaftsweise durchsetzten. Die Arktis wurde sogar erst in diesem Jahrhundert in Besitz genommen, und wei­te Teile des Amazonasgebiets werden erst heute von den Nachfahren der europäischen Einwanderer erreicht, während die peruanischen und bolivischen Anden al­ler Voraussicht nach noch lange in indianischem Besitz bleiben werden.
    Stellen Sie sich vor, ein Archäologe würde irgendwann in der Zukunft – nach Vernichtung aller schriftlichen Aufzeichnungen und dem Untergang der indogerma­nischen Sprachen in Europa – zu Ausgrabungsarbeiten nach Brasilien fahren. Er wird entdecken, daß Gegen­stände europäischer Herkunft um 1530 plötzlich an den Küsten Brasiliens auftauchten, danach aber nur sehr langsam ins Amazonasgebiet vordrangen. Bei den Men­schen, denen der Archäologe in Amazonien begegnen wird, handelt es sich um ein buntes genetisches Gemisch aus Indianern, Schwarzen, Europäern und Japanern, die miteinander Portugiesisch reden. Es ist kaum anzuneh­men, daß der Forscher zu der Erkenntnis gelangen wird, daß das Portugiesische von fremden Eindringlingen ins Land gebracht wurde.
    Auch nach der Expansion des Urindogermanischen im vierten Jahrtausend v. Chr. prägten neue Etappen im Zusammenspiel von Pferden, Steppenvölkern und indo­germanischen Sprachen die Geschichte Eurasiens. Die Pferdetechnologie der Urindogermanen war primitiv und umfaßte wahrscheinlich nicht viel mehr als Strick­zügel und die Kunst des sattellosen Reitens. Jahrtausen­delang stieg von da an der militärische Wert des Pferdes dank Erfindungen, die von Metallkandaren und pferde­gezogenen Streitwagen um 2000 v. Chr. bis zu den Huf­eisen, Steigbügeln und Satteln der späteren Reitertrup­pen reichten. Die meisten dieser Neuerungen hatten ih­ren Ursprung zwar nicht in der Steppe, doch es waren deren Bewohner, die am meisten von ihnen profitier­ten, da sie stets mehr Weideland und deshalb auch mehr Pferde besaßen.
    Im Zuge der Weiterentwicklung der Pferdetechnolo­gie fielen immer wieder Steppenvölker in Europa ein, von denen die Hunnen, Türken und Mongolen nur die bekanntesten waren. Sie errichteten eine Folge riesiger, kurzlebiger Reiche, die sich von den weiten Steppen bis nach Osteuropa erstreckten. Doch nie wieder sollte es diesen Völkern gelingen, Westeuropa ihre Sprache auf­zuzwingen. Den größten Vorteil besaßen sie am Anfang, als urindogermanische Reiter auf ungesattelten Pferden in ein Europa ohne domestizierte Pferde einfielen.
    Es gab noch einen weiteren Unterschied zwischen die­sen späteren, schriftlich belegten Invasionen und der früheren Invasion der Urindogermanen, über die uns Aufzeichnungen fehlen. Bei den späteren Eindringlin­gen handelte es sich nicht mehr um Sprecher indoger­manischer Sprachen aus der westlichen Steppenregi­on, sondern um Sprecher von mongolischen und Turk­sprachen aus dem östlichen Bereich der Steppen. Das Schicksal wollte es, daß ausgerechnet Pferde im 11. Jahr­hundert n. Chr. türkischen Stämmen aus Mittelasien die Möglichkeit gaben, in das Land der ersten geschriebe­nen indogermanischen Sprache, des Hethitischen, ein­zudringen, so daß die wichtigste Innovation der ersten Indogerma­nen gegen ihre eigenen Nachfahren gewen­det wurde. Türken sind genetisch weitgehend Europä-er, sprachlich jedoch Nicht-Indogermanen. Ähnlich war Ungarn nach einer Invasion aus dem Osten im Jahre 896 n. Chr. zwar in den Genen seiner Bevölkerung nach wie vor weitgehend europäisch, jedoch in der Sprache fin­nisch­ugrisch. Die Türkei und Ungarn sind Beispiele dafür, wie eine kleine Invasionsstreitmacht aus beritte­nen Steppenbewohnern einer europäischen Gesellschaft ihre Sprache aufzwingen konnte – so, wie es im größe­ren Stil auch im übrigen Europa

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