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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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psychologische Erkenntnisse und Argumen­te berücksichtigen. Folglich werden wir zu Beginn unse­rer Erkundung dieses Phänomens seine biologische Ge­schichte von unseren Vorfahren im Tierreich bis ins 20. Jahrhundert verfolgen. Nachdem wir die Frage gestellt haben, wie die Mörder ihr Tun mit ethischen Grund­sätzen in Einklang brachten, können wir die psycho­logischen Auswirkungen auf Täter, überlebende Opfer und Zeugen untersuchen. Doch bevor wir nach Antwor­ten auf diese Fragen suchen, wollen wir mit einem typi­schen Beispiel für viele andere Völkermorde beginnen: der Ausrottung der Tasmanier.
    Tasmanien ist eine gebirgige Insel von der Größe Irlands, gut 300 Kilometer vor der Südostküste Australiens gele­gen. Zur Zeit der Entdeckung durch Europäer im Jah­re 1642 lebten dort etwa 5000 mit den Aborigines des australischen Festlands verwandte Jäger und Sammler, deren Entwicklungsstand in technischer Hinsicht viel­leicht der niedrigste von allen Völkern der Neuzeit war. Die Tasmanier stellten nur ganz wenige Arten primiti­ver Werkzeuge aus Stein und Holz her. Wie die Abori­gines kannten sie weder Metallwerkzeuge, Keramik, Ackerbau und Viehzucht noch Pfeil und Bogen. Doch an­ders als die Festlandbewohner besaßen sie auch keine Bumerange, Hunde und Netze, und sie verstanden sich auch weder auf die Kunst des Nähens noch auf die Ent­fachung von Feuer.
    Da die Tasmanier keine Boote hatten, sondern nur Flöße, mit denen sie kurze Entfernungen zurücklegen konnten, war ihr Kontakt zu anderen Menschen abge­rissen, seit der Anstieg des Meeresspiegels Tasmanien vor 10 000 Jahren von Australien abgeschnitten hatte. Hunderte von Generationen lang auf ihr kleines Univer­sum beschränkt, hatten sie die längste Isolation in der modernen Geschichte der Menschheit durchlebt. Als schließlich die weißen Kolonisten aus Australien diesen Zustand beendeten, gab es auf der Erde wohl kein zwei­tes Paar von Völkern, die schlechtere Voraussetzungen für ein gegenseitiges Verständnis mitbrachten als Tas­manier und Weiße.
    Die tragische Kollision dieser beiden Völker führte fast gleich nach Ankunft britischer Robbenfänger und Siedler um 1800 zum Konflikt. Weiße verschleppten tas­manische Kinder als Arbeitskräfte, entführten Frauen als Gattinnen, verstümmelten oder töteten die Männer, drangen in Jagdgebiete ein und taten alles, um die Tas­manier von ihrem Land zu vertreiben. Sehr bald schon drehte sich der Konflikt damit um Lebensraum , einen der häufigsten Gründe für Genozid in der Geschichte der Menschheit. Aufgrund der Entführungen bestand die Eingeborenenbevölkerung von Nordost-Tasmani­en im November 1830 nur noch aus 72 erwachsenen Männern, drei erwachsenen Frauen und keinem einzi­gen Kind. Ein Schafhirte erschoß 19 Tasmanier mit ei­nem Gewehr, das er mit Nägeln geladen hatte. Vier an­dere Schafh irten überfielen eine Gruppe Eingeborener aus dem Hinterhalt, töteten 30 und warfen die Leichen einen Abhang hinunter, der heute den Namen Victory Hill trägt.
    Natürlich übten die Tasmanier auch Vergeltung, was die Weißen mit noch mehr Gewalt erwiderten. Um der Eskalation Einhalt zu gebieten, ordnete Gouverneur Arthur 1828 an, daß alle Tasmanier den bereits von Eu­ropäern besiedelten Teil ihrer Insel verlassen mußten. Um diese Anordnung durchzusetzen, wurden Grup­pen von Sträflingen, angeführt von Polizisten, zur Jagd auf Tasmanier ausgesandt (sogenannte »roving parties«). Nach Verhängung des Kriegsrechts im November 1828 erhielten die Soldaten die Erlaubnis, auf jeden Tasma­nier zu feuern, den sie in den besiedelten Gebieten an­trafen. Als nächstes wurde ein Kopfgeld in Höhe von fünf Pfund für jeden lebend gefangenen Erwachsenen und zwei Pfund pro Kind ausgesetzt. Die »Schwarzen­jagd«, wie man wegen der Dunkelhäutigkeit der Tasma­nier sagte, wurde zum großen Geschäft, an dem sich ne­ben staatlichen auch private Jagdkommandos beteiligten. Zur gleichen Zeit wurde eine Kommission unter Leitung von William Broughton, dem anglikanischen Erzdiakon von Australien, eingesetzt, um Empfehlungen für eine Eingeborenenpolitik zu erarbeiten. Nach Diskussionen darüber, ob man die Tasmanier fangen und als Sklaven verkaufen, sie vergiften oder ihnen Fallen stellen oder sie mit Hunden jagen solle, entschied sich die Kommission für die Beibehaltung der Kopfgeldregelung und empfahl den Einsatz berittener Polizeikräfte.
    Im Jahre 1830 wurde ein bemerkenswerter Missionar

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