Der dritte Schimpanse
und der gewöhnlichen Schimpansen. Noch vor zwei Jahrzehnten waren sich die Biologen darin einig, daß unsere Fähigkeit, Werkzeuge zu gebrauchen und kollektive Pläne zu schmieden, den Menschen weit häufiger zum Mörder werden ließen als Menschenaffen, falls diese überhaupt je Artgenossen töteten. Neuere Beobachtungen des Verhaltens von Menschenaffen lassen jedoch darauf schließen, daß ein Gorilla oder ein gewöhnlicher Schimpanse mit mindestens der gleichen Wahrscheinlichkeit Opfer eines Mordes wird wie ein Mensch. So kämpfen Gorillas um den Besitz ihrer Harems, wobei der Sieger oft die Jungen des Verlierers sowie diesen selbst tötet. Solche Kämpfe gehören zu den häufigsten Todesursachen von Gorillajungen und erwachsenen Männchen. Eine typische Gorillamutter verliert auf diese Weise im Laufe ihres Lebens mindestens ein Junges. Umgekehrt sterben 38 Prozent der Gorillajungen durch solche Auseinandersetzungen.
Besonders lehrreich, da ausführlich dokumentiert, war die Ausrottung einer der von Jane Goodall untersuchten Schimpansenhorden durch eine Nachbarhorde zwischen 1974 und 1977. Ende 1973 waren beide noch weitgehend ebenbürtig: Die im Norden lebende Kasakela-Horde hatte acht erwachsene Männchen und ein Revier von 15 Quadratkilometer Größe, während die Kahama-Horde mit sechs erwachsenen Männchen ein zehn Quadratkilometer großes Revier im Süden bewohnte. Das erste fatale Ereignis spielte sich im Januar 1974 ab, als sechs erwachsene Kasakela-Männchen, ein heranwachsendes Männchen und ein erwachsenes Weibchen die Jungen zurückließen und nach Süden aufbrachen. Nachdem sie Schimpansenrufe aus der Richtung, in die sie zogen, vernommen hatten, bewegten sie sich lautlos und noch schnelleren Schrittes vorwärts, bis sie das Kahama-Männchen Godi überrumpelten. Eines der Kasakela-Männchen zog den fliehenden Godi zu Boden, setzte sich auf seinen Kopf und hielt seine Beine fest, während die anderen ihr Opfer zehn Minuten lang schlugen und bissen. Bevor die Angreifer sich zurückzogen, warf noch einer einen großen Stein auf Godi. Der konnte zwar nach dem Überfall noch stehen, war aber schwer verletzt und blutete aus vielen Wunden. Er wurde nie wieder gesehen und erlag vermutlich seinen Verletzungen.
Im Monat daraufzogen drei Kasakela-Männchen und ein Weibchen erneut gen Süden und griffen das Kahama-Männchen Dé an, das bereits von einem früheren Angriff oder einer Krankheit geschwächt war. Die Angreifer zogen Dé von einem Baum herunter, trampelten auf ihm herum, bissen und schlugen ihn und rissen ihm Stücke von seiner Haut ab. Ein gerade läufiges Kahama-Weibchen, das sich bei Dé befand, wurde gezwungen, mit den Angreifern nach Norden zurückzukehren. Zwei Monate später wurde Dé noch lebend gesehen, allerdings in sehr abgemagertem Zustand. Sein Rückgrat und Becken standen hervor, mehrere Fingernägel und ein Teil einer Zehe fehlten, und sein Hodensack war auf ein Fünftel der normalen Größe geschrumpft . Danach wurde er nicht mehr gesehen.
Im Februar 1975 spürten fünf erwachsene und ein heranwachsendes Kasakela-Männchen das schon betagte Kahama-Männchen Goliath auf und überfielen es. 18 Minuten lang schlugen, bissen und traten sie es, trampelten auf ihm herum, hoben es hoch und ließen es wieder fallen, schleiften es über die Erde und drehten ihm das Bein um. Als sie fertig waren, konnte Goliath nicht mehr aufrecht sitzen. Auch er wurde danach nicht wieder gesehen.
Während sich die bisher geschilderten Angriffe gegen Kahama-Männchen richteten, wurde im September 1975 auch ein Kahama-Weibchen namens Madam Bee tödlich verletzt, nachdem es während des Vorjahres mindestens vier Angriffe lebend überstanden hatte. Der Überfall wurde von vier erwachsenen Kasakela-Männchen verübt, ein heranwachsendes Männchen und vier Kasakela-Weibchen (darunter auch Madam Bees gekidnappte Tochter) schauten zu. Die Angreifer schlugen auf Madam Bee ein, schleiften sie über den Boden, trampelten auf ihr herum, hoben sie auf, schleuderten sie wieder zu Boden und ließen sie einen Abhang herunterpurzeln. Fünf Tage später war sie tot.
Im Mai 1977 töteten fünf Kasakela-Männchen das Kahama-Männchen Charlie, doch es wurden keine Einzelheiten des Kampfes beobachtet. Im November 1977 fingen sechs Kasakela-Männchen das Kahama-Männchen Sniff und schlugen, bissen und zogen es an den Füßen, wobei ihm ein Bein
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