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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Frem­denfeindlichkeit gemein. Sie erkennen Mitglieder ande­rer Horden und verhalten sich ihnen gegenüber völlig anders als zu Mitgliedern der eigenen Horde.
    Kurzum, von allen menschlichen Besonderheiten – Kunst, Sprache, Drogenmißbrauch und so weiter – läßt sich Genozid am geradlinigsten von tierischen Vorläu­fern ableiten. Wir wissen nun, daß gewöhnliche Schim­pansen Morde planen und ausführen, Nachbarhorden ausrotten, Krieg um Territorium führen und Weibchen kidnappen. Gäbe man Schimpansen Speere und Unter­richt in deren Gebrauch, würde sich ihre Effizienz im Töten sicher bald unserer eigenen nähern. Das Verhal­ten der Schimpansen läßt daraufschließen, daß einer der Hauptgründe für das typisch menschliche Merkmal des gemeinschaftlichen Zusammenlebens die Verteidigung gegen andere Gemeinschaften war, insbesondere seit wir Waffen besitzen und unser Gehirn groß genug ist, um Überfalle zu planen. Falls diese Argumentation zutrifft, könnte die traditionell von Anthropologen gesetzte Be­tonung auf das Jägertum des Menschen als Triebkraft unserer Evolution am Ende doch seine Berechtigung ha­ben – nur mit dem Unterschied, daß wir selbst, nicht etwa Mammute, unsere eigene Beute und zugleich der Feind waren, der uns zum Leben in Gruppen zwang.
    Die beim Menschen häufigsten Formen von Genozid ha­ben beide Vorläufer im Tierreich : Die unterschiedslose Tötung von Männern und Frauen deckt sich mit dem Vorgehen von gewöhnlichen Schimpansen und Wöl­fen, während die Tötung von Männern bei gleichzeitiger Verschonung von Frauen mit dem Verhalten von Go­rillas und Löwen übereinstimmt. Beispiellos selbst im Tierreich ist hingegen das, was die argentinischen Mi­litärs zwischen 1976 und 1983 taten, als über 10 000 po­litische Gegner und deren Familien, die desaparecidos (Verschwundenen), umgebracht wurden. Unter den Op­fern waren wie üblich Männer, nichtschwangere Frau­en und sogar Kinder von gerade erst drei oder vier Jah­ren, die vor der Ermordung oft noch gefoltert wurden. Doch Argentiniens Soldaten fügten dem tierischen Ver­haltensrepertoire überdies ein neues Element hinzu, in­dem sie sich auf die Tötung schwangerer Frauen spezia­lisierten, die nach ihrer Verhaftung bis zur Entbindung am Leben gehalten und erst dann durch Kopfschuß er­mordet wurden, so daß die Neugeborenen zur Adoption durch kinderlose Eltern aus den Rängen des Militärs zur Verfügung standen.
    Wenn unsere Neigung zum Umbringen von Artgenos­sen also schon nicht einzigartig im Tierreich ist, könn­te sie dann nicht doch eine Ausgeburt der modernen Zi­vilisation sein ? Entrüstet über die Zerstörung »primi­tiver« durch »hochentwickelte« Gesellschaften, neigen viele Schriftsteller zur Idealisierung der Opfer als edle Wilde, die von friedliebendem Charakter seien bzw. nur dann und wann einen Mord begingen, aber keine Mas­saker anrichteten. Erich Fromm hielt die Kriegführung von Jäger- und Sammlergesellschaften für charakteristi­scherweise unblutig. Gewiß waren manche dieser Völker (zum Beispiel Pygmäen und Eskimos) weniger kriege­risch als andere (Neuguineer, Prärie- und Amazonasin­dianer). Selbst die kriegerischen Völker, so wird behaup­tet, praktizieren aber eine ritualisierte Form der Krieg­führung und stellen den Kampf bereits ein, wenn nur wenige Feinde gefallen sind. Diese Idealisierung deckt sich ganz und gar nicht mit meinen Erfahrungen im Hochland von Neuguinea, dessen Bewohnern oft eine beschränkte bzw. ritualisierte Kriegführung zugeschrie­ben wird. Zwar waren die meisten Kämpfe in Neugui­nea relativ harmlos und forderten keine oder nur wenige Tote, doch es kam auch vor, daß eine Gruppe unter ei­ner anderen ein Blutbad anrichtete. Wie andere Völker auch versuchten Neuguineer, ihre Nachbarn zu vertrei­ben oder zu töten, wenn es ihnen vorteilhaft , gefahrlos oder überlebenswichtig erschien.
    Wenn wir frühe Zivilisationen betrachten, die bereits im Besitz einer Schrift waren, so belegen Aufzeichnun­gen, wie häufig Genozid vorkam. Die Kriege der Grie­chen und Trojaner, Römer und Karthager sowie der As­syrer und Babylonier und Perser hatten alle das eine Ziel : die Abschlachtung der Besiegten ohne Ansehen des Geschlechts oder doch die Tötung der Männer und Entführung der Frauen in die Sklaverei. Jeder kennt die biblische Schilderung vom Einsturz der Mauern von Je­richo beim Ertönen von Josuas Trompeten. Seltener er­fährt man, was dann

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