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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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bestens dar­auf vorbereitet waren, Menschen anzugreifen.
    Doch sicher erklärt weder Notwehr noch die Jagd zum Zweck der Erbeutung von Nahrung das rasche Verschwinden von Neuseelands eigentümlichen Grillen, Schnecken, Zaunkönigen und Fledermäusen. Warum wurden so viele dieser Arten in ihrem gesamten Ver­breitungsgebiet oder überall bis auf ein paar Inseln vor der Küste ausgerottet ?
    Die Rodung der Wälder könnte manches erklären, doch der Hauptgrund bestand darin, daß die Mao­ris, möglicherweise unbeabsichtigt, einen weiteren Jä-ger mitbrachten – die Ratte ! So wie die Moas dem Men­schen wehrlos ausgeliefert waren, da sie im Laufe der Evolution keine Bekanntschaft mit ihm gemacht hatten, standen die kleinen Inselbewohner den Ratten wehrlos gegenüber. Wir wissen, daß die von Europäern verbrei­teten Rattenarten eine bedeutende Rolle bei der neuzeit­lichen Ausrottung vieler Vogelarten auf Hawaii und an­deren zuvor rattenfreien Meeresinseln spielten. Als bei­spielsweise 1962 endlich auch die Big South Cape Insel vor Neuseeland von Ratten erreicht wurde, wüteten die­se dort so sehr, daß die Populationen von acht Vogel­arten und einer Fledermausart binnen drei Jahren aus­gerottet bzw. stark dezimiert waren. Das ist auch der Grund, warum so viele neuseeländische Arten heute nur noch auf rattenfreien Inseln vorkommen, den einzigen Orten, an denen sie überleben konnten, als die Ratten­flut in Begleitung der Maoris das neuseeländische Fest­land überschwemmte.
    Bei ihrer Landung fanden die Maoris eine intakte Tierwelt vor, deren Geschöpfe so fremdartig waren, daß wir sie für Ausgeburten der Phantasie eines Science­fic­tion-Autors halten würden, gäbe es keine Beweise ihrer Existenz in Form von Fossilien. Die Szene muß etwa so gewesen sein, wie wir sie bei einem Besuch auf einem anderen belebten Planeten erblicken würden. Innerhalb eines kurzen Zeitraums fiel ein großer Teil der Arten­gemeinschaft einem biologischen Holocaust zum Op­fer. Ein weiterer Teil verschwand in einem zweiten Ho­locaust nach Ankunft der Europäer. Als Ergebnis hat Neuseeland heute nur noch rund die Hälfte der Vogel­arten, welche die Maoris bei ihrer Ankunft begrüßten, wobei von den überlebenden heute viele entweder an der Schwelle des Aussterbens stehen oder auf bestimm­te, von eingeführten Säugetieren weitgehend verschon­te Inseln beschränkt sind. Wenige Jahrhunderte genüg­ten also, um der Millionen von Jahren langen Geschich­te der Moas ein Ende zu setzen.
    Nicht nur auf Neuseeland, sondern auch auf allen ande­ren entlegenen Pazifikinseln fanden Archäologen in den letzten Jahren in Polynesien an den Stätten der ersten Siedler Skelette vieler inzwischen ausgestorbener Vögel, was auf einen Zusammenhang zwischen dem Ausster­ben von Vogelarten und der Besiedlung durch den Men­schen hindeutet. Den Paläontologen Storrs Olson und Helen James von der amerikanischen Smithsonian Insti­tution gelang es, auf jeder der Hauptinseln von Hawaii fossile Vogelarten zu identifizieren, die während der po­lynesischen Besiedlung, die um 500 n. Chr. begann, ver­schwunden waren. Darunter waren nicht nur kleine, mit noch lebenden Arten verwandte Zuckervögel, son­dern auch seltsame flugunfähige Gänse und Ibisse ohne überlebende nahe Verwandte. Das Aussterben der ha­waiischen Vögel nach Beginn der Besiedlung durch Eu­ropäer ist zwar weithin bekannt, doch von dieser frühe­ren Welle des Artensterbens wußte man nichts, bevor Olton und James 1982 mit der Veröffentlichung ihrer Entdeckungen begannen. Heute sind nicht weniger als 50 Vogelarten bekannt, die schon vor der Ankunft Ka­pitän Cooks auf Hawaii ausgestorben waren – das ent­spricht fast einem Zehntel der auf dem nordamerikani­schen Festland brütenden Vögel.
    Das heißt nicht etwa, daß all diese hawaiischen Vo­gelarten von Jägern ausgerottet wurden. Wohl dürften Gänse ebenso wie die Moas durch Überjagen ausge­storben sein, doch kleinere Singvogelarten sind vermut­lich eher den von den ersten Hawaiianern mitgebrach­ten Ratten oder der Waldrodung für landwirtschaftliche Zwecke zum Opfer gefallen. Ein ähnlicher Zusammen­hang zwischen dem Aussterben von Vögeln und der Be­siedlung durch Polynesier fand man auf Tahiti, Fidschi, Tonga, Neukaledonien, den Chatham-Inseln, den Cook-Inseln, den Salomon-Inseln und im Bismarckarchipel.
    Eine besonders interessante Kollision von Vögeln und Polynesiern ereignete sich auf der extrem

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