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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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leben und tagaktiv sind, in riesiger Zahl vorkommen – wie Antilopen, Strau-ße, Zebras, Paviane und Löwen, jene Anziehungspunk­te des Tourismus in Ostafrika –, gibt und gab es in den letzten Jahrhunderten keine diesen auch nur entfernt äquivalenten Tiere auf Madagaskar. Dafür sorgten die 300 Kilometer Wasser, welche die Insel von Afrika tren­nen, in gleicher Weise, wie das Meer verhinderte, daß Australiens Beuteltiere nach Neuseeland gelangten. Statt dessen leben auf Madagaskar zwei Dutzend Arten klei­ner, affenartiger Primaten mit der Bezeichnung Lemu­ren, die höchstens zehn Kilo wiegen, in Bäumen leben und in der Hauptsache nachtaktiv sind. Daneben gibt es verschiedene Arten von Nagetieren, Fledermäusen, In­sektenfressern und Verwandten des Mungos, doch auch von diesen bringt es keiner auf mehr als zwölf Kilo Ge­wicht.
    Die Strände Madagaskars sind jedoch übersät mit Be­weisen für die einstige Existenz riesiger Vögel in Form unzähliger fußballgroßer Eierschalen. Nach und nach kamen neben den Skeletten der Vögel, die diese Eier ge­legt hatten, auch die einer stattlichen Zahl verschwun­dener Großsäugetiere und Reptilien zum Vorschein. Bei den Eierlegern handelte es sich um ein halbes Dutzend Arten flugunfähiger Vögel, die bis zu drei Meter groß und bis zu 500 Kilo schwer waren, worin sie Moas und Straußen ähnelten. Sie waren aber von mächtigerer Sta­tur und werden deshalb als Elefantenvögel bezeichnet. Bei den Reptilien handelte es sich um zwei Arten von Riesenlandschildkröten mit Schilden von etwa einem Meter Länge, die, nach der Zahl der gefundenen Skelette zu urteilen, einmal sehr verbreitet gewesen sein müssen. Vielfältiger als Vögel und Reptilien war das Dutzend Ar­ten von Lemuren, die alle mindestens so groß waren wie die größten überlebenden Lemurenarten und in man­chen Fällen so groß wie Gorillas. Der geringe Augen­durchmesser in den gefundenen Schädeln läßt vermu­ten, daß alle bzw. die meisten der ausgestorbenen Lemu­ren tag- und nicht nachtaktiv waren. Manche von ihnen lebten offenbar wie Paviane am Boden, während andere wie Orang-Utans und Koalabären in Bäumen turnten.
    Als wäre all dies noch nicht genug, fand man auf Ma­dagaskar auch Knochen eines ausgestorbenen »Zwerg«-Flußpferds von »nur« der Größe einer Kuh, eines Erdfer­kels und eines großen mungoverwandten Fleischfressers von der Gestalt eines Pumas, nur mit kürzeren Beinen. Nimmt man all diese ausgestorbenen Tiere zusammen, besaß Madagaskar einst die funktionalen Äquivalente jenes Großwilds, das Touristen heute in den afrikanischen Tierreservaten so fasziniert – ähnlich wie Neusee­land mit seinen Moas und anderen seltsamen Vogelar­ten. Die Landschildkröten, Elefantenvögel und Zwerg­flußpferde hätten als Pflanzenfresser den Platz von Antilopen und Zebras eingenommen, die Lemuren den der Paviane und großen Menschenaffen, und der mun­goverwandte Fleischfresser hätte als Ersatz für einen Leoparden oder kleinen Löwen fungiert.
    Was geschah nun mit all diesen großen, heute ausge­storbenen Säugetieren, Reptilien und Vögeln ? Man kann davon ausgehen, daß wenigstens einige noch am Leben waren, als die ersten Madagassen eintrafen, die Eierscha­len von Elefantenvögeln als Wasserbehälter benutzten und Knochen von Zwergflußpferden und anderen Tier­arten auf Müllhaufen warfen. Zudem fand man Kno­chen all der anderen ausgestorbenen Arten an nur weni­ge tausend Jahre alten Fundstätten. Da sie zu jenem Zeit­punkt bereits eine jahrmillionenlange Geschichte hatten, ist kaum anzunehmen, daß sie aus weiser Voraussicht gerade im letzten Moment vor dem Auftauchen hung­riger Menschen ihr Leben aushauchten. Vielmehr dürf­ten einige Arten in entlegenen Teilen Madagaskars sogar noch bis zur Ankunft der Europäer überlebt haben, was zum Beispiel daraus zu entnehmen ist, daß im 17. Jahr­hundert der französische Gouverneur Flacourt Berichte über ein Tier erwähnte, die auf den gorillagroßen Lemu­ren schließen lassen. Elefantenvögel mag es noch lange genug gegeben haben, um arabischen Händlern im Indi­schen Ozean zu Gesicht zu kommen, woraus möglicher­weise die Beschreibung des Rok (eines Riesenvogels) im Märchen von Sindbad dem Seefahrer hervorging.
    Von Madagaskars verschwundenem Großwild wur­den mit Sicherheit manche und wahrscheinlich sogar alle Arten von den frühen Madagassen ausgerottet. Wa­rum die Elefantenvögel ausstarben, ist leicht zu

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