Der dritte Schimpanse
verstehen, lieferten ihre Eierschalen doch höchst praktische Kanister. Auch wenn die Madagassen Hirten und Fischer waren und keine Großwildjäger, gaben die anderen Großtiere doch leichte Beute ab, da sie noch nie Menschen erblickt hatten. Wahrscheinlich waren sie wie Neuseelands Moas so zahm wie antarktische Pinguine und andere Geschöpfe, deren Evolution in Abwesenheit des Menschen erfolgt war. Ein hungriger Madagasse konnte direkt auf diese zahmen Tiere zugehen, sie mit einer Keule erschlagen und sich so eine schnelle Mahlzeit verschaffen. Darin dürfte der Grund liegen, warum die leicht zu entdeckenden, leicht zu fangenden Lemuren, deren Größe den Aufwand lohnte – nämlich die großen, tagaktiven, terrestrischen Arten – alle ausstarben, während die kleineren, nachtaktiven, in Bäumen wohnenden überlebten.
Ungewollt töteten die Madagassen jedoch wahrscheinlich noch viel mehr Großwild als durch die Jagd. Zur Waldrodung und zur Förderung des Graswachstums im Jahresrhythmus gelegte Brände zerstörten Lebensräume, auf welche die Tiere angewiesen waren. Weidende Rinder und Ziegen trugen das ihre zur Veränderung von Lebensräumen bei und waren darüber hinaus direkte Nahrungskonkurrenten weidender Landschildkröten und Elefantenvögel. Eingeführte Hunde und Schweine machten Jagd auf am Boden lebende Tiere, deren Junge und Eier. Als die Portugiesen Madagaskar erreichten, waren von dem einst so häufigen Elefantenvogel nur noch Eierschalen an den Stränden, Skelette im Erdreich und vage Erinnerungen an Roks übriggeblieben.
Madagaskar und Polynesien liefern nur besonders gut dokumentierte Beispiele für die Wellen des Artensterbens, die sich wahrscheinlich auf allen größeren, schon vor der Ausbreitung der Europäer in den letzten 500 Jahren von Menschen besiedelten Inseln abspielten. Wie auf Neuseeland und Madagaskar gab es auf allen diesen Inseln, wo die Evolution des Lebens in Abwesenheit des Menschen erfolgte, einzigartige Großwildarten, die moderne Zoologen nie lebend zu Gesicht bekamen. Mittelmeerinseln wie Kreta und Zypern beheimateten Zwergflußpferde und Riesenschildkröten (wie Madagaskar) ebenso wie Zwergelefanten und Zwerghirsche. Auf den Westindischen Inseln verschwanden Affen, Bodenfaultiere, ein bärengro-ßes Nagetier und Eulen verschiedener Größe von normal bis riesig. Es erscheint mehr als denkbar, daß diese gro-ßen Vögel, Säugetiere und Schildkröten ebenfalls den ersten mediterranen Völkern bzw. Indianern, die den Weg zu ihnen fanden, weichen mußten. Auf allen Meeresinseln zusammen starben wohl mehrere tausend Arten aus, zu denen neben Vögeln auch Säugetiere, Eidechsen, Frö-sche, Schnecken und selbst größere Insekten zählten. Olsen beschreibt dieses insulare Artensterben als »eine der abruptesten und gründlichsten biologischen Katastrophen der Geschichte«. Daß Menschen dafür die Ursache waren, werden wir allerdings erst dann sicher wissen, wenn die Knochen der letzten Tiere und die Überreste der ersten Menschen noch auf weiteren Inseln exakt datiert worden sind, so wie in Polynesien und Madagaskar.
Neben diesen vorindustriellen insularen Ausrottungswellen könnten zahlreiche Arten in fernerer Vergangenheit auch Opfer festländischer Ausrottungswellen geworden sein. Vor rund 11 000 Jahren, ungefähr zur gleichen Zeit, als die Vorfahren der Indianer in der Neuen Welt eintrafen, starben die meisten größeren Säugetierarten in ganz Nord- und Südamerika aus, darunter so unterschiedliche Arten wie Löwen, Pferde, Riesengürteltiere, Mammute und Säbelzahnkatzen. Es wird seit langem heftig darüber gestritten, ob diese Großsäugetiere von indianischen Jägern erledigt wurden oder ob sie nur zufällig zur gleichen Zeit den Folgen eines Klimawandels erlagen. Ich erläutere im nächsten Kapitel, warum nach meiner Ansicht die Jäger die Ursache waren. Es ist jedoch viel schwerer, Zeitpunkte und Ursachen von Ereignissen nachzuweisen, die sich vor rund 11 000 Jahren abspielten, als von Ereignissen der jüngeren Vergangenheit, wie der Kollision von Maoris und Moas in den letzten tausend Jahren. Ähnlich verlor auch Australien innerhalb der letzten 50 000 Jahre die meisten seiner Großsäugerarten und wurde von den Vorfahren der heutigen Aborigines besiedelt, doch wir wissen noch nicht, ob das eine das andere verursachte. Mit ziemlich großer Sicherheit wissen wir mithin erst, daß die ersten
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