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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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ebenfalls datierten Maoristätten, daß alle Moaarten noch im Überfluß ver­treten waren, als die ersten Maoris an Land gingen. Das gleiche gilt für die ausgestorbenen Gänse, Enten, Schwä-ne, Adler und sonstigen Vögel, die wir nur von Fossili­en kennen. Innerhalb weniger Jahrhunderte waren die Moas und die meisten anderen Vogelarten ausgestorben. Es müßte schon ein unglaublicher Zufall gewesen sein, wenn jedes Exemplar von mehreren Dutzend Arten, die Neuseeland Millionen Jahre lang bewohnt hatten, sich gerade den Moment der Ankunft des Menschen aus­suchten, um wie auf Kommando tot umzufallen.
    Und schließlich gibt es mehr als hundert zum Teil sehr große archäologische Fundstätten, an denen Maoris Un­mengen von Moas zerschnitten, in Tonöfen zubereite­ten und wegwarfen, was übrigblieb. Das Fleisch wur­de verschmaust, aus der Haut Kleidung gemacht, Kno­chen wurden zu Angelhaken und Schmuck verarbeitet, und die Eier wurden ausgeblasen, um als Wasserbehäl­ter zu dienen. Im 19. Jahrhundert wurden ganze Wagen­ladungen von Moaskeletten von diesen Fundorten ab­transportiert. Die Zahl der Moaskelette an den bekann­ten Maoristätten wird auf 100 000 bis 500 000 geschätzt, also das Zehnfache der Zahl von Moas, die zu irgend­einem Zeitpunkt auf Neuseeland gelebt haben dürft en. Das bedeutet, daß viele Generationen von Maoris die Moas abschlachteten.
    Somit steht fest, daß die Maoris die Ausrotter der Moas waren. Dies geschah wenigstens zum Teil, indem sie sie töteten, zum Teil, indem sie Eier aus den Nestern stah­len, und zum Teil wahrscheinlich auch durch Abholzung der Wälder, die den Moas als Lebensraum dienten. Wer schon einmal die zerklüfteten Berge Neuseelands durch­wandert hat, mag hier skeptisch werden. Man denke nur an die Reiseposter neuseeländischer Fjordlandschaf­ten mit ihren 3000 Meter tiefen, steilwandigen Schluch­ten, ihrer enormen Niederschlagsmenge und den kalten Wintern. Selbst heute gelingt es professionell vorgehen­den Jägern trotz Ausrüstung mit Teleskopgewehren und Hubschraubern nicht so recht, den Hirschbestand in diesen Bergen unter Kontrolle zu halten. Wie sollten da ein paar Tausend Maoris auf Neuseelands Südinsel und der Stewart-Insel, bewaffnet mit Steinäxten und Keulen und zu Fuß marschierend, die letzten Moas zur Strecke gebracht haben?
    Es gab zwischen Hirschen und Moas einen entschei­denden Unterschied. Erstere hatten Zehntausende von Generationen lang gelernt, beim Herannahen von Men­schen die Flucht zu ergreifen, während Moas bis zur An­kunft der Maoris nie einen Menschen erblickt hatten. Ähnlich wie heute die Tierarten der Galapagos-Inseln waren die Moas wahrscheinlich zahm genug, um einen Menschen auf Keulenweite herankommen zu lassen. Im Unterschied zu Hirschen war die Fortpflanzungsrate der Moas möglicherweise so niedrig, daß eine Handvoll Jä-ger, die alle paar Jahre ein Tal aufsuchten, mehr von ih­nen zur Strecke bringen konnten, als neue heranwuch­sen. Genau das geschieht jedenfalls in der Gegenwart mit dem größten noch lebenden neuguineischen Säuge­tier, einem in den abgelegenen Bewani Mountains be­heimateten Baumkänguruh. In von Menschen besiedel­ten Gebieten sind Baumkänguruhs unglaublich scheue, auf Bäumen lebende Nachttiere, deren Jagd sehr viel schwieriger ist als einst die Jagd auf Moas. Trotz alle­dem und obwohl nur eine geringe Zahl von Menschen in den Bewani Mountains lebt, genügte die kumulative Wirkung gelegentlicher Jagden – ein Besuch pro Tal alle paar Jahre –, um das Baumkänguruh an den Rand des Aussterbens zu bringen. In Anbetracht dessen kann ich mir sehr gut vorstellen, wie es den Moas ergangen sein muß.
    Nicht nur Moas, sondern auch all die anderen ausge­storbenen Vogelarten Neuseelands waren noch am Le­ben, als die Maoris an Land gingen. Die meisten waren ein paar hundert Jahre später verschwunden. Die grö-ßeren unter ihnen – Schwan und Pelikan, flugunfähi­ge Gans und Wasserhuhn – wurden gewiß als Nahrung gejagt. Den Riesenadler dürften die Maoris hingegen in Notwehr getötet haben. Was glauben Sie, was wohl ge­schah, als der auf zweibeinige, zwischen einem und drei Metern große Beutetiere spezialisierte Adler die ersten 1,70 Meter großen Maoris zu Gesicht bekam ? Selbst heu­te wird gelegentlich davon berichtet, daß für die Jagd ab­gerichtete mandschurische Adler ihre Dresseure töten ; dabei sind die mandschurischen Adler Zwerge im Ver­gleich zu den neuseeländischen Riesen, die

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