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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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waren. Neben den Moas waren darunter eine ganze Reihe großer, flug­unfähiger Vögel, zum Beispiel eine große Ente, ein riesi­ges Wasserhuhn und eine überdimensionale Gans. Die­se hatten sich aus normalen Vögeln entwickelt, die nach Neuseeland geflogen waren und dort, in einer Umwelt ohne natürliche Feinde, im Laufe der Evolution ihre auf­wendige Flügelmuskulatur verloren hatten. Andere aus­gestorbene Vögel, wie ein Pelikan, ein Schwan, ein Rie­senrabe und ein Riesenadler, hatten ihre Flugfähigkeit behalten.
    Mit seinem Gewicht von bis zu 15 Kilo war der Rie­senadler zu Lebzeiten bei weitem der größte und mäch­tigste Raubvogel der Welt, neben dem die größte heuti­ge Greifvogelart, die Harpyie des tropischen Amerika, schmächtig erscheinen würde. Der neuseeländische Ad­ler wäre der einzige natürliche Feind der Moas gewesen.
    Obgleich manche von ihnen fast zwangzigmal schwe­rer waren als der Adler, hätte dieser sie doch mit einem Angriff auf ihre langen Beine, gefolgt von einem ver­nichtenden Schlag gegen den Kopf und den langen Hals, zur Strecke bringen können. Der Kadaver hätte für etli­che Tage Futter geboten, wie der einer Giraffe dem Lö-wenrudel. Ein Indiz dafür, daß die Adler tatsächlich so vorgegangen sein könnten, ist das Fehlen des Kopfes an zahlreichen gefundenen Moa-Skeletten.
    Bisher war nur von den größeren der ausgestorbenen Tiere die Rede. Fossilienjäger entdeckten aber auch die Skelette kleiner Tiere von der Größe von Mäusen und Ratten. Zu den am Boden lebenden Kleintieren zähl­ten mindestens drei Arten flugunfähiger bzw. nur be­dingt flugtauglicher Singvögel, mehrere Frösche, Rie­senschnecken, viele riesengrillenartige Insekten mit dem doppelten Gewicht von Mäusen sowie mausähnli­che Fledermäuse mit der seltsamen Angewohnheit, die Flügel zusammenzurollen und zu rennen. Manche die­ser Kleintiere waren zur Zeit der Ankunft der Europäer bereits ausgestorben. Andere lebten nur noch auf klei­nen vorgelagerten Inseln, waren jedoch früher auf dem neuseeländischen Festland sehr verbreitet gewesen, wie Knochenfunde beweisen. Zusammengenommen hätten all diese inzwischen ausgestorbenen Arten, welche die Evolution in dieser abgelegenen Region hervorgebracht hatte, Neuseeland mit dem ökologischen Äquivalent je­ner flugunfähigen Säugetiere des Festlands ausgestat­tet, die nie eintrafen : Moas statt Hirschen, flugunfähi­gen Gänsen und Wasserhühnern statt Kaninchen, gro-ßen Grillen, Fledermäusen und kleinen Singvögeln statt Mäusen und Riesenadlern statt Leoparden.
    Fossilienfunde und biochemische Untersuchungen er­geben, daß die Vorfahren der Moas vor Millionen von Jahren nach Neuseeland gekommen waren. Es stellt sich die Frage, wann und warum die Moas nach so langer Zeit ausstarben. Welche Katastrophe könnte so vie­len so unterschiedlichen Arten wie Grillen, Adlern, En­ten und Moas zugleich zum Verhängnis geworden sein?
    Und vor allem, waren all diese merkwürdigen Geschöp­fe noch am Leben, als die Vorfahren der Maoris um 1000 n. Chr. eintrafen ?
    Als ich Neuseeland 1966 zum erstenmal besuchte, lau­tete die offizielle Meinung, daß die Moas aufgrund ei­nes Klimawandels ausgestorben seien und daß etwaige Moaarten, die beim Eintreffen der ersten Maoris noch lebten, zumindest kurz vor dem Aussterben standen. Für die Neuseeländer stand unumstößlich fest, daß die Maoris vorbildliche Naturschützer waren und die Moas nicht ausgerottetet haben konnten. Auch heute besteht kein Zweifel daran, daß die Maoris ebenso wie die ande­ren Polynesier Steinwerkzeuge benutzten, hauptsächlich von Ackerbau und Fischfang lebten und nicht das Zer­störungspotential moderner Industriegesellschaften be­saßen. Man nahm an, daß die Maoris allenfalls Popula­tionen, die bereits am Rande des Aussterbens standen, den Gnadenstoß versetzten. Drei Arten von Entdeckun­gen haben dieses Glaubensgebäude jedoch zum Einsturz gebracht.
    Erstens war Neuseeland während der letzten Eiszeit, die vor rund 10 000 Jahren zu Ende ging, mit Gletschern oder kalter Tundra bedeckt. Seitdem ist das neuseelän­dische Klima viel freundlicher geworden. Die Tempera­turen sind gestiegen, und herrliche Wälder haben sich ausgebreitet. Die letzten Moas starben mit gut gefüll­tem Magen unter klimatischen Bedingungen, wie es seit Zehntausenden von Jahren keine besseren gegeben hatte.
    Zweitens beweisen mit Hilfe der Radiokarbonmetho­de datierte Vogelskelette aus alten,

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