Der dritte Schimpanse
Ausrottungswellen betroffen waren, wenigstens ungefähr bestimmen ? Noch nie wurde versucht, die Zahl der Pflanzen, Wirbellosen und Eidechsen zu bestimmen, die durch die Zerstörung ihrer Lebensräume in vorgeschichtlicher Zeit ausgerottet wurden. Doch praktisch alle von Paläontologen erforschten Meeresinseln wiesen Spuren erst kürzlich ausgestorbener Vogelarten auf. Eine Extrapolation auf die noch nicht von Paläontologen erforschten Inseln ergibt, daß rund 2000 Vogelarten – ein Fünftel aller vor einigen tausend Jahren lebenden Arten – auf Inseln beschränkt waren und bereits in vorgeschichtlicher Zeit ausgerottet wurden. Diese Zahl beinhaltet keine festländischen Vogelarten, die ebenfalls vor sehr langer Zeit ausgerottet wurden. Von den Gattungen der Großsäugetiere starben bei oder nach Ankunft des Menschen in Nordamerika 73 Prozent, in Sü-damerika 80 und in Australien 86 Prozent aus.
Als letzten Schritt bei der Beurteilung der Debatte um das massenhafte Artensterben wollen wir einen Blick in die Zukunft tun. Ist der Höhepunkt der vom Menschen ausgelösten Welle des Aussterbens bereits überschritten oder steht das Schlimmste noch bevor ? Es gibt mehrere Wege, diese Frage zu beantworten.
Man könnte zum Beispiel einfach annehmen, daß die ausgestorbenen Arten von morgen aus dem Kreis der heute bedrohten Arten stammen werden. Wie viele der noch existierenden Arten haben bereits gefährlich niedrige Populationsgrößen erreicht? Laut Schätzung des ICBP sind mindestens 1666 Vogelarten bedroht oder stehen unmittelbar vor dem Aussterben – fast 20 Prozent aller überlebenden Vögel. Ich sagte »mindestens 1666«, da diese Zahl aus dem gleichen erwähnten Grund eine Unterschätzung darstellt wie die vom ICBP geschätzte Zahl insgesamt ausgestorbener Arten. In beiden Fällen beruht die Schätzung lediglich auf denjenigen Arten, deren Status zufällig die Aufmerksamkeit eines Wissenschaftlers erweckte, statt auf einer Beurteilung des Status sämtlicher Vogelarten.
Ein anderer Weg der Vorhersage der Zukunft geht von einem Verständnis der Mechanismen aus, durch die wir Arten ausrotten. Das vom Menschen verursachte Artensterben dürfte sich so lange weiter beschleunigen, bis sich Weltbevölkerung und Technologie auf hohem Niveau einpendeln, doch momentan zeichnet sich der baldige Eintritt eines solchen Zustands noch nicht ab. Die Weltbevölkerung, die sich von einer halben Milliarde um 1600 auf über fünf Milliarden in der Gegenwart mehr als verzehnfachte, wächst immer noch um fast zwei Prozent im Jahr. Jeder Tag bringt neuen technischen Fortschritt und mit ihm Veränderungen für die Erde und ihre Bewohner. Es lassen sich vier Hauptmechanismen unterscheiden, durch die unsere wachsende Bevölkerung das Aussterben von Arten bedingt : Überjagen, Einführung neuer Arten, die Zerstörung natürlicher Lebensräume und Dominoeffekte. Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, ob diese vier Mechanismen bereits einen Zustand der Stabilität erreicht haben.
Überjagen – die Tötung von Tieren in rascherem Tempo als dem ihrer Vermehrung – ist der Hauptmechanismus, durch den Großtiere ausgerottet wurden, vom Mammut bis zum kalifornischen Grizzly. (Letzterer ziert die Flagge meines Heimatstaates, doch viele Kalifornier wissen gar nicht, daß wir unser Wappentier vor langer Zeit ausrotteten.) Haben wir bereits alle in Frage kommenden Großtiere ausgerottet ? Offensichtlich nicht. Als der Rückgang der Walpopulationen nach langem Ringen zu einem internationalen Verbot des kommerziellen Walfangs führte, gab Japan die Entscheidung bekannt, seine Walfangquote »zu Forschungszwecken« zu verdreifachen. Jeder hat wohl schon Bilder von dem Gemetzel an afrikanischen Elefanten und Nashörnern gesehen, angerichtet aus Gier nach Elfenbein und dem kostbaren Horn. Bei anhaltendem Tempo der Dezimierung werden in zehn bis zwanzig Jahren nicht nur Elefanten und Nashörner, sondern auch die Populationen der meisten anderen Großsäugetiere Afrikas und Südostasiens bis auf wenige in Zoos und Wildparks lebende Exemplare ausgestorben sein.
Der zweite Ausrottungsmechanismus besteht in der absichtlichen oder unabsichtlichen Einführung von Arten in Teile der Welt, in denen sie vorher nicht heimisch waren. Beispiele solcher heute in den USA fest ansässiger Arten sind Wanderratten und Baumwollkapselkä-fer. Auch in Europa sind Arten fremden Ursprungs heimisch
Weitere Kostenlose Bücher