Der dritte Schimpanse
geworden, wofür die Wanderratte nur ein Beispiel darstellt. Wenn Arten von einer Region in eine andere verpflanzt werden, rotten sie in ihrer neuen Umgebung oft einige der Arten aus, denen sie dort erstmals begegnen, indem sie sie als Beute auffressen oder mit Krankheiten infizieren. Da die Evolution der jeweiligen Opfer in Abwesenheit ihrer neuen Feinde erfolgt war, fehlen ihnen geeignete Abwehrmechanismen. So wurde die amerikanische Kastanie bereits nahezu ausgerottet, und zwar durch eine Pilzart aus Asien, gegen die asiatische Kastanienbäume resistent sind. Ähnlich rotteten Ziegen und Ratten eine große Zahl von Pflanzen- und Vogelarten auf Meeresinseln aus.
Ob wir inzwischen alle nur erdenklichen Plagen überall auf der Welt verbreitet haben ? Offenbar nicht, denn es gibt noch viele Inseln, die frei von Ziegen und Wanderratten sind, und viele Länder versuchen mit Quarantänevorschriften, Insekten und Krankheitserregern den Zugang zu verwehren. Mit hohen Kosten, aber, wie es scheint, wenig Erfolg versucht das Landwirtschaft sministerium der USA seit längerem, der Ankunft von Mörderbienen und Fruchtfliegen aus dem Mittelmeerraum einen Riegel vorzuschieben. Die größte neuzeitliche Ausrottungswelle, die auf das Konto eines eingeführten Raubtiers geht, hat jedoch gerade erst begonnen. Tatort ist der afrikanische Victoriasee, Heimat Hunderter bemerkenswerter Fischarten, die nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen. Ein großer Raubfisch mit der Bezeichnung Nilbarsch, der dort mit der Absicht ausgesetzt wurde, die Fischereierträge zu erhöhen, ist nun munter dabei, sich seinen Weg durch die einzigartige Fischwelt des Victoriasees zu fressen.
Die Zerstörung natürlicher Lebensräume ist die dritte Methode der Ausrottung. Die meisten Arten leben nur in einem ganz bestimmten Typus von Lebensraum. Wer Sümpfe trockenlegt oder Wälder rodet, vernichtet die von diesen Ökosystemen abhängigen Arten mit der gleichen Gewißheit, als wenn er jedes einzelne Exemplar eigenhändig umbringen würde. So starben neun der zehn nur auf der philippinischen Insel Cebu vorkommenden Vogelarten aus, als die dortigen Wälder den Sägen der Holzfäller zum Opfer fielen.
Bei der Zerstörung natürlicher Lebensräume steht das Schlimmste noch bevor, da der Angriff auf die tropischen Regenwälder, die artenreichsten Lebensräume überhaupt, gerade erst richtig beginnt. Der biologische Reichtum der Regenwälder ist hinlänglich bekannt – über 1500 Käferarten kommen beispielsweise in einer einzigen Baumart in Panama vor. Obwohl Regenwälder nur sechs Prozent der Erdoberfläche bedecken, sind rund die Hälfte aller Arten in ihnen beheimatet. In jedem Stück Regenwald leben zahlreiche Spezies, die sonst nirgendwo vorkommen. Ich will hier nur einige der besonders artenreichen Regenwälder erwähnen, deren Vernichtung gerade in vollem Gang ist : Die Abholzung von Brasiliens Atlantik- und Malaysias Tieflandwäldern steht bereits kurz vor dem Abschluß, während die Regenwälder Borneos und der Philippinen innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte zum größten Teil verschwinden werden. Gute Chancen, auch Mitte des nächstens Jahrhunderts noch in größeren Teilstücken erhalten zu sein, haben lediglich die tropischen Regenwälder in Zaire und im brasilianischen Amazonasbecken.
Jede Art ist auf andere Arten angewiesen, als Nahrungsquelle und zur Schaffung ihres Lebensraums. Somit stehen alle Arten in einem Beziehungsgeflecht, das man mit sich verzweigenden Ketten von Dominosteinen vergleichen kann. So, wie das Umkippen eines Dominosteins in einer Kette auch andere zu Fall bringt, kann die Ausrottung einer Art andere mit ins Verderben reißen, die wieder andere mitreißen und so weiter. Dieser vierte Ausrottungsmechanismus läßt sich als Dominoeffekt beschreiben. Die Natur besteht aus einer so gewaltigen Zahl von Arten, die miteinander auf so komplexe Weise verbunden sind, daß sich praktisch unmöglich vorhersehen läßt, wohin der durch das Aussterben einer Art ausgelöste Dominoeffekt am Ende führen wird.
Ich will dies an einem Beispiel verdeutlichen. Vor 50 Jahren konnte niemand voraussehen, daß das Aussterben großer Raubtiere (Jaguare, Pumas und Harpyen) auf der panamaischen Insel Barro Colorado zum Aussterben kleiner Ameisenvögel und zu drastischen Ver-änderungen in der Artenzusammensetzung des Waldes auf der Insel führen würde. Doch genau das geschah, weil die großen
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