Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
geworden, wofür die Wanderratte nur ein Beispiel darstellt. Wenn Arten von einer Region in eine andere verpflanzt werden, rotten sie in ihrer neuen Umgebung oft einige der Arten aus, denen sie dort erstmals begeg­nen, indem sie sie als Beute auffressen oder mit Krank­heiten infizieren. Da die Evolution der jeweiligen Op­fer in Abwesenheit ihrer neuen Feinde erfolgt war, feh­len ihnen geeignete Abwehrmechanismen. So wurde die amerikanische Kastanie bereits nahezu ausgerottet, und zwar durch eine Pilzart aus Asien, gegen die asiatische Kastanienbäume resistent sind. Ähnlich rotteten Ziegen und Ratten eine große Zahl von Pflanzen- und Vogelar­ten auf Meeresinseln aus.
    Ob wir inzwischen alle nur erdenklichen Plagen über­all auf der Welt verbreitet haben ? Offenbar nicht, denn es gibt noch viele Inseln, die frei von Ziegen und Wan­derratten sind, und viele Länder versuchen mit Qua­rantänevorschriften, Insekten und Krankheitserregern den Zugang zu verwehren. Mit hohen Kosten, aber, wie es scheint, wenig Erfolg versucht das Landwirtschaft s­ministerium der USA seit längerem, der Ankunft von Mörderbienen und Fruchtfliegen aus dem Mittelmeer­raum einen Riegel vorzuschieben. Die größte neuzeit­liche Ausrottungswelle, die auf das Konto eines einge­führten Raubtiers geht, hat jedoch gerade erst begonnen. Tatort ist der afrikanische Victoriasee, Heimat Hunder­ter bemerkenswerter Fischarten, die nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen. Ein großer Raubfisch mit der Bezeichnung Nilbarsch, der dort mit der Absicht aus­gesetzt wurde, die Fischereierträge zu erhöhen, ist nun munter dabei, sich seinen Weg durch die einzigartige Fischwelt des Victoriasees zu fressen.
    Die Zerstörung natürlicher Lebensräume ist die dritte Methode der Ausrottung. Die meisten Arten leben nur in einem ganz bestimmten Typus von Lebensraum. Wer Sümpfe trockenlegt oder Wälder rodet, vernichtet die von diesen Ökosystemen abhängigen Arten mit der glei­chen Gewißheit, als wenn er jedes einzelne Exemplar ei­genhändig umbringen würde. So starben neun der zehn nur auf der philippinischen Insel Cebu vorkommenden Vogelarten aus, als die dortigen Wälder den Sägen der Holzfäller zum Opfer fielen.
    Bei der Zerstörung natürlicher Lebensräume steht das Schlimmste noch bevor, da der Angriff auf die tropischen Regenwälder, die artenreichsten Lebensräume überhaupt, gerade erst richtig beginnt. Der biologische Reichtum der Regenwälder ist hinlänglich bekannt – über 1500 Käferarten kommen beispielsweise in einer einzigen Baumart in Panama vor. Obwohl Regenwäl­der nur sechs Prozent der Erdoberfläche bedecken, sind rund die Hälfte aller Arten in ihnen beheimatet. In je­dem Stück Regenwald leben zahlreiche Spezies, die sonst nirgendwo vorkommen. Ich will hier nur einige der be­sonders artenreichen Regenwälder erwähnen, deren Vernichtung gerade in vollem Gang ist : Die Abholzung von Brasiliens Atlantik- und Malaysias Tieflandwäldern steht bereits kurz vor dem Abschluß, während die Re­genwälder Borneos und der Philippinen innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte zum größten Teil verschwin­den werden. Gute Chancen, auch Mitte des nächstens Jahrhunderts noch in größeren Teilstücken erhalten zu sein, haben lediglich die tropischen Regenwälder in Za­ire und im brasilianischen Amazonasbecken.
    Jede Art ist auf andere Arten angewiesen, als Nah­rungsquelle und zur Schaffung ihres Lebensraums. So­mit stehen alle Arten in einem Beziehungsgeflecht, das man mit sich verzweigenden Ketten von Dominosteinen vergleichen kann. So, wie das Umkippen eines Domino­steins in einer Kette auch andere zu Fall bringt, kann die Ausrottung einer Art andere mit ins Verderben reißen, die wieder andere mitreißen und so weiter. Dieser vier­te Ausrottungsmechanismus läßt sich als Dominoeffekt beschreiben. Die Natur besteht aus einer so gewaltigen Zahl von Arten, die miteinander auf so komplexe Weise verbunden sind, daß sich praktisch unmöglich vorhersehen läßt, wohin der durch das Aussterben einer Art ausgelöste Dominoeffekt am Ende führen wird.
    Ich will dies an einem Beispiel verdeutlichen. Vor 50 Jahren konnte niemand voraussehen, daß das Ausster­ben großer Raubtiere (Jaguare, Pumas und Harpyen) auf der panamaischen Insel Barro Colorado zum Aus­sterben kleiner Ameisenvögel und zu drastischen Ver-änderungen in der Artenzusammensetzung des Wal­des auf der Insel führen würde. Doch genau das geschah, weil die großen

Weitere Kostenlose Bücher