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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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alljährlich sämtliche Vogelarten auf diesen beiden Kontinenten. Je seltener die Art, desto fanatischer die Suche. Keine nordamerikanische oder europäische Vogelart könnte deshalb unbemerkt dahin­scheiden. Zur Zeit gibt es in Nordamerika nur eine Vo­gelart, über deren Existenz Unklarheit besteht. Es han­delt sich um den Gelbstirn-Waldsänger, der zuletzt 1977 definitiv gesichtet wurde, für den der ICBP jedoch die Hoffnung aufgrund jüngerer, wenngleich unbestätigter Beobachtungen noch nicht aufgegeben hat. Die Zahl der seit 1600 ausgestorbenen nordamerikanischen Vogelar­ten beträgt deshalb mit Sicherheit nicht weniger als fünf und nicht mehr als sechs. Abgesehen vom Gelbstirn-Waldsänger läßt sich jede Art einer von zwei Katego­rien zuordnen, und zwar »definitiv ausgestorben« oder »definitiv existent«. Entsprechend handelt es sich bei der Zahl der seit 1600 ausgestorbenen europäischen Vogel­arten mit Sicherheit um eine – nicht zwei und auch nicht null, sondern genau eine.
    Folglich besitzen wir eine exakte, unzweideutige Ant­wort auf die Frage nach der Zahl der seit 1600 ausgestor­benen nordamerikanischen und europäischen Vogelar­ten. Ließe sich die Zahl für andere Artengruppen ähnlich präzise bestimmen, wäre der erster Schritt zur Beurtei­lung der Debatte über ein mögliches massenhaft es Ar­tensterben schon getan. Leider ist dies weder für andere Gruppen von Pflanzen und Tieren noch in anderen Tei­len der Welt möglich – am allerwenigsten in den Tropen, wo die überwältigende Mehrheit aller Arten vorkommt. In den meisten tropischen Ländern gibt es nur wenige oder gar keine Vogelbeobachter und auch keine jährli­chen Bestandsaufnahmen. In vielen tropischen Regio­nen ist seit der biologischen Ersterkundung vor etlichen Jahren nie wieder eine Bestandsaufnahme erfolgt. Der Status vieler tropischer Arten ist schlicht unbekannt, da seit der Entdeckung niemand sie je wiedergesehen bzw. eigens nach ihnen gesucht hat. Von den neuguineischen Vögeln, mit denen ich mich beschäftigt habe, war bei­spielsweise der Mamberanolederkopf nur aufgrund von 18 Exemplaren bekannt, die zwischen dem 22. März und 29. April 1939 an einer Lagune des Idenburg River abge­schossen wurden. Kein Wissenschaftler hat die Lagune danach wieder besucht, so daß wir nichts über den ge­genwärtigen Status dieses Vogels wissen.
    Wenigstens wissen wir aber, wo wir nach ihm suchen müßten. Unser Wissen über viele andere Arten beruht hingegen allein auf den Exemplaren, die im 19. Jahrhun­dert von Expeditionen mitgebracht wurden, mit nur va­gen Anhaltspunkten über den Ort ihrer Herkunft , zum Beispiel »Südamerika«. Man versuche einmal, den Sta­tus einer seltenen Art zu klären, wenn nur dieser grobe Ortshinweis vorliegt. Der Gesang, das Verhalten und die lebensräumlichen Präferenzen solcher Arten sind völlig unbekannt. Deshalb wissen wir weder, wo wir nach ih­nen suchen, noch wie wir sie bestimmen sollten, würden wir sie erblicken oder ihren Gesang hören.
    Der Status vieler tropischer Arten kann deshalb we­der als »definitiv ausgestorben« noch als »definitiv exi­stent« angegeben werden, sondern lediglich als »unbe­kannt«. Es ist schlicht dem Zufall überlassen, welche Art die Aufmerksamkeit eines Ornithologen erweckt, Ge­genstand einer speziellen Suchaktion wird und so als möglicherweise ausgestorben erkannt wird.
    Ich will ein Beipiel schildern. Die im tropischen Pa­zifik gelegenen Salomoninseln, auf denen ich schon oft und sehr gerne Vögel beobachtet habe, sind vielen Ame­rikanern und Japanern der älteren Generation als Ort erbitterter Kämpfe während des Zweiten Weltkriegs in Erinnerung. Vom ICBP wird eine einzige salomonische Vogelart, die Salomonentaube, als ausgestorben geführt. Als ich jedoch alle neueren Beobachtungen der 164 be­kannten Vogelarten der Salomoninseln in einer Tabel­le zusammenfaßte, mußte ich feststellen, daß zwölf die­ser 164 Arten seit 1953 nicht mehr beobachtet worden waren. Einige von ihnen sind mit Sicherheit ausgestor­ben, da sie früher weitverbreitet waren. Wiederholt be­richteten mir Inselbewohner, daß Katzen sie ausgerot­tet hätten.
    Die Zahl von zwölf möglicherweise ausgestorbenen Arten von insgesamt 164 klingt vielleicht nicht sehr be­sorgniserregend. Man muß aber bedenken, daß sich die natürliche Umwelt auf den Salomoninseln in weit besse­rem Zustand befindet als im größten Teil der Tropen, da es dort relativ wenige

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