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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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um dar­aus Leder zu machen, oder Holz, um Werkzeuge herzu­stellen.
    Würde ein Neandertaler im Anzug oder Kleid viel Aufmerksamkeit erregen, so wäre er in Shorts oder Biki­ni furchterregend. Seine Muskeln, besonders die Schul­ter- und Nackenmuskulatur, übertrafen die aller heu­tigen Menschen, vielleicht mit Ausnahme besonders leidenschaftlicher Bodybuilder. Die Knochen seiner Gliedmaßen waren entsprechend dicker als unsere, um der Kraft dieser großen Muskeln standhalten zu können. Seine Arme und Beine wären uns untersetzt erschienen, da Unterschenkel und Unterarm kürzer waren als bei uns. Selbst seine Hände waren viel kräftiger, so daß das Händeschütteln mit einem Neandertaler uns leicht ei­nen Knochenbruch eintragen würde. Während seine Durchschnittsgröße nur etwa 1,63 Meter betrug, dürf­te er mindestens zehn Kilogramm mehr gewogen haben als wir, und diese Differenz beruhte zum größten Teil auf seiner Muskelfülle.
    Es gibt möglicherweise einen weiteren interessanten anatomischen Unterschied, wenngleich er nicht erwie­sen und seine Interpretation ungewiß ist. Der Geburts­kanal der Neandertalerinnen konnte breiter gewesen sein als bei heutigen Frauen, so daß die Babys vor der Geburt länger im Mutterleib hätten heranwachsen und somit größer werden können. In diesem Fall hätte die Schwangerschaft statt neun Monaten vielleicht ein Jahr gedauert.
    Neben Skelettfunden sind Steinwerkzeuge eine weite­re wichtige Quelle, der wir Aufschluß über die Neander­taler verdanken. Was ich über die Werkzeuge früherer Menschen sagte, galt auch für die Werkzeuge der Nean­dertaler : Es handelte sich wohl nur um Steine von nütz­licher Form, die nicht einmal an Griffen befestigt wa­ren und sich nicht in Typen mit bestimmten Funktionen einteilen lassen. Es gab auch keine eindeutigen Kno­chenwerkzeuge, und Pfeil und Bogen waren unbekannt. Manche der Steinwerkzeuge dienten sicher zur Herstel­lung von Holzwerkzeugen, die aber als Funde sehr rar sind. Zu den Ausnahmen zählt ein hölzerner Wurfspeer von 2,40 Meter Länge, der in den Rippen einer lange ausgestorbenen Elefantenart an einer Ausgrabungsstel­le in Deutschland gefunden wurde. Trotz dieses (zufalli­gen ?) Erfolges waren die Neandertaler vermutlich keine besonders guten Großwildjäger, da ihre Zahl (nach den Siedlungen zu urteilen) viel geringer war als die der spä-teren Cro-Magnons und da selbst die anatomisch mo­derneren Menschen, die zur gleichen Zeit in Afrika leb­ten, als Jäger keine gute Figur abgaben.
    Wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis einmal nach der ersten Assoziation beim Wort »Neandertaler« fragen, werden Sie wahrscheinlich »Höhlenmensch« zu hören bekommen. Während die meisten Neandertaler-Relikte tatsächlich in Höhlen ausgegraben wurden, liegt hier si­cher ein Trugschluß vor, da die meisten Stätten im Frei­en einfach stärker der Erosion preisgegeben waren. Von den Hunderten von Plätzen, an denen ich in Neugui­nea mein Lager aufschlug, war nur einer in einer Höh­le, und wahrscheinlich wird es dort sein, wo zukünftige Archäologen meinen Haufen weggeworfener Blechdosen intakt entdecken werden. Sie werden dann womöglich auch folgern, ich sei ein Höhlenmensch gewesen. Irgen­deine Art von primitivem Schutz gegen das kalte Kli­ma ihrer Zeit müssen sich die Neandertaler gebaut ha­ben. Alles, was davon übriggeblieben ist, sind jedoch ein paar Steinhaufen – nichts im Vergleich zu den kunst­vollen Behausungen, wie sie die Cro-Magnons später er­richten sollten.
    Bei den Neandertalern vermissen wir auch vieles an­dere, das für den heutigen Menschen typisch ist. So hin­terließen sie keine eindeutigen Kunstgegenstände. Zwar müssen sie in ihrer kalten Umgebung Kleidung getragen haben, aber wohl sehr primitive, da sie keine Nadeln oder sonstiges Näh Werkzeug kannten. Offenbar besaßen sie auch keine Boote, denn auf keiner der Mittelmeerinseln wurden Funde gemacht, und auch nicht im nur 13 Kilo­meter von Gibraltar entfernten Nordafrika (Spanien war von Neandertalern bewohnt). Es gab auch keinen Fern­handel : Die Werkzeuge der Neandertaler wurden fast ausnahmslos aus Steinen gefertigt, die im Umkreis we­niger Kilometer um die Lager zu finden waren.
    Heute betrachten wir kulturelle Unterschiede zwischen den Bewohnern verschiedener Regionen als selbstver­ständlich. Jede menschliche Population der Gegenwart hat typische Häuser, Werkzeuge und Kunstgegenstände. Hielte man Ihnen ein paar Stäbchen,

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