Der dritte Schimpanse
zum Beispiel »Nobody don’t have this« (Niemand hat das nicht). Ähnlich ließen sich die Probleme englischsprechender Kinder mit der Wortstellung in Fragesätzen erklären.
Bevor wir auf letzteres Beispiel eingehen, sei noch einmal daran erinnert, daß Englisch zu den Sprachen zählt, die sich in Aussagesätzen der kreolischen Wortstellung Subjekt-Prädikat-Objekt bedienen, wie zum Beispiel in »I want juice« (Ich will Saft). Viele Sprachen einschließ-lich der kreolischen behalten diese Wortstellung auch in Fragesätzen bei, die nur an der Betonung als solche zu erkennen sind (»You want juice ?«). Im Englischen gilt für Fragesätze jedoch eine andere Regel. Sie weichen von der kreolischen Wortstellung ab, indem die Reihenfolge von Subjekt und Prädikat umgekehrt (»Where are you ?« statt »Where you are ?«) oder das Subjekt zwischen ein Hilfsverb (zum Beispiel »do«) und das Hauptverb gestellt wird (»Do you want juice?«). Meine Frau und ich haben auf unsere Söhne seit ihrer frühesten Kindheit grammatikalisch einwandfreie englische Frage- und Aussagesätze niederprasseln lassen. Dabei dauerte es nicht lange, bis sie die richtige Wortstellung in Aussagesätzen aufgeschnappt hatten, doch bis heute gebrauchen beide in Fragesätzen noch die verkehrte kreolische Wortstellung, trotz der Fülle korrekter Beispiele, mit denen meine Frau und ich sie täglich konfrontieren. Aktuelle Kostproben der Äußerungen von Max und Joshua sind zum Beispiel »Where it is ?«, »What that letter is ?«, »What the handle can do?« und »What you did with it?« Es scheint, als wollten sie ihren Ohren noch nicht trauen, sondern sich lieber weiter auf die Richtigkeit ihrer vorprogrammierten kreolischen Regeln verlassen.
Wir wollen nun versuchen, aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen an Tieren und Menschen ein klares Bild davon zu gewinnen, wie unsere Vorfahren den langen Weg von primitivem Gegrunze bis zu Shakespeares kunstvollen Sonetten bewältigten. Ein gründlich untersuchtes Frühstadium ist das Lautsystem der Grünen Meerkatzen mit mindestens zehn verschiedenen Rufen, die absichtlich ausgestoßen werden, zur Verständigung dienen und äußere Bezugsobjekte haben. Die Bedeutung dieser Rufe mögen Wörter, Erklärungen, Verhaltensvorschläge oder alles zugleich sein. Aufgrund der bisherigen Schwierigkeiten der Wissenschaftler bei der Identifizierung dieser zehn Rufe ist damit zu rechnen, daß noch mehr der Entdeckung harren; zur Zeit ist uns der wahre Umfang des Wortschatzes dieser Meerkatzenart noch nicht bekannt. Inwieweit andere Tiere die Meerkatzen überflügelten, ist ebenfalls ungeklärt, da die lautliche Kommunikation der beiden Arten, von denen ein höherer sprachlicher Entwicklungsstand am ehesten zu erwarten wäre, der gewöhnlichen und Zwergschimpansen, noch auf eine Erforschung in der Natur wartet. Wenigstens im Labor haben Schimpansen bewiesen, daß sie Hunderte von Symbolen meistern können, was auf das Vorhandensein des geistigen Rüstzeugs zur Beherrschung auch eigener Symbole schließen läßt.
Von Kleinkindern benutzte Einzelwörter wie das »juice« (Saft) meines Sohnes Max stellen ein nächsthöheres Stadium als tierische Grunzlaute dar. Wie die Meerkatzenrufe mag auch »juice« eine Kombination von Wort, Erklärung und Verhaltensvorschlag sein. Max hat jedoch einen entscheidenden Schritt weiter getan als die Meerkatzen, indem er das Wort »juice« aus Vokalen und Konsonanten als kleineren Einheiten zusammensetzte und so die unterste Stufe modularer sprachlicher Organisation nahm. Aus wenigen Dutzend solcher phonetischer Einheiten läßt sich durch immer wieder neue Anordnung eine gewaltige Zahl von Wörtern erzeugen, zum Beispiel die 142 000 in dem Englischwörterbuch auf meinem Schreibtisch. Dieses Prinzip der modularen Organisation erlaubt uns weit mehr Unterscheidungen als den Meerkatzen. So benennen diese nur sechs Arten von Tieren, während wir Bezeichnungen für an die zwei Millionen haben.
Einen weiteren Schritt in Richtung Shakespeare verdeutlichen zweijährige Kinder, die in allen menschlichen Gesellschaften spontan vom Einzelwortstadium dazu übergehen, erst zwei und dann mehrere Wörter aneinanderzureihen. Dabei handelt es sich aber noch um Wortketten mit wenig Grammatik, und die verwendeten Wörter sind immer noch Substantive, Verben und Adjektive mit konkretem Bezugsobjekt. Wie Bickerton darlegt, ähneln diese Wortketten den
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