Der dritte Schimpanse
Grunde alle gleich sind. Es gibt Unterschiede, die mit den sozialen Umständen jeder Kreolisierung zu tun haben – insbesondere mit dem ursprünglichen Zahlenverhältnis von Plantagenbesitzern (oder Kolonisten) und Arbeitskräften, wie schnell und wie weit sich dieses Verhältnis verschob und über wie viele Generationen das anfängliche Pidgin den vorhandenen Sprachen nach und nach Komplexität entlehnen konnte. Doch viele Ähnlichkeiten bleiben bestehen, vor allem zwischen solchen kreolischen Sprachen, die sich binnen kurzer Zeit aus Pidgin-Sprachen im Frühstadium entwickelten. Wie konnten sich die Kinder so schnell auf eine Grammatik einigen, und wie kam es, daß sie in den verschiedensten Teilen der Welt immer wieder im Prinzip die gleichen grammatikalischen Elemente erfanden?
Der Grund ist nicht darin zu suchen, daß sie etwa den leichtesten oder einzigen Weg zur Konstruktion einer Sprache einschlugen. So verfügen kreolische Sprachen, wie zum Beispiel auch das Englische, über Präpositionen (kurze, Substantiven vorangestellte Wörter), während andere Sprachen zugunsten von Postpositionen (nachgestellt) auf sie verzichten oder mit Kasusendungen an Substantiven arbeiten. Auch in der Reihenfolge Subjekt-Prädikat-Objekt ähneln die kreolischen Sprachen dem Englischen, aber eine Entlehnung kann nicht der Grund sein, da auch solche kreolischen Sprachen, die aus Sprachen mit anderer Satzbauweise abgeleitet wurden, die gleiche Reihenfolge aufweisen.
Diese Ähnlichkeiten zwischen kreolischen Sprachen beruhen möglicherweise auf einem genetischen Grundmuster für den Spracherwerb während der Kindheit, das in unserem Gehirn bereits vorhanden ist. Von einem solchen Grundmuster gehen viele Wissenschaftler aus, seit der Linguist Noam Chomsky behauptete, die Struktur der menschlichen Sprache sei viel zu komplex, als daß sie ein Kind ohne fest vorprogrammierte Instruktionen in wenigen Jahren meistern könnte. Meine Söhne zum Beispiel begannen im Alter von zwei Jahren gerade erst damit, einzelne Wörter zu gebrauchen. Während ich dies schreibe, bloß 20 Monate später und noch einige Monate vor ihrem vierten Geburtstag, beherrschen sie bereits die meisten Grundregeln der englischen Grammatik, die erwachsene Einwanderer mit fremder Muttersprache oft in Jahrzehnten nicht lernen. Und selbst vor ihrem zweiten Geburtstag hatten meine Zwillinge bereits gelernt, das auf sie einströmende, zunächst unverständliche Geschwätz der Erwachsenen irgendwie zu deuten und die Anordnung mehrerer Silben in Wörter zu erkennen und diese trotz unterschiedlicher Aussprache der jeweiligen Sprecher auseinanderzuhalten.
Diese Probleme brachten Chomsky zu der Überzeugung, daß Kinder beim Ersterwerb einer Sprache vor einer unmöglichen Aufgabe stünden, wäre nicht ein Großteil ihrer Struktur bereits im Gehirn vorprogrammiert. Er folgerte, wir kämen mit einer »universellen Grammatik« im Kopf auf die Welt, die das ganze Spektrum von Grammatikmustern der verschiedenen Sprachen enthielte. Diese vorprogrammierte Grammatik gliche einem Satz Schaltern mit verschiedenen möglichen Stellungen, wobei jede Stellung beim Aufwachsen in der Weise festgelegt würde, wie es die jeweilige Sprache erforderte.
Bickerton geht jedoch noch einen Schritt weiter als Chomsky und zieht den Schluß, wir seien nicht nur auf eine universelle Grammatik mit einstellbaren Schaltern, sondern sogar auf einen bestimmten Satz von Schalterstellungen vorprogrammiert, nämlich jene, die in der Grammatik kreolischer Sprachen immer wieder auftauchen. Diese vorprogrammierten Stellungen können gelöscht werden, wenn sie im Gegensatz zu dem stehen, was das Kind in der Sprache seiner Umwelt wahrnimmt. Registriert das Kind jedoch überhaupt keine lokalen Schalterstellungen, da es mit der strukturlosen Anarchie einer Pidgin-Sprache aufwächst, haben die kreolischen Schalterstellungen Bestand.
Falls Bickerton recht haben sollte und wir tatsächlich mit kreolischen Schalterstellungen zur Welt kommen, die durch spätere Erfahrungen gelöscht werden können, müßten Kinder eigentlich kreolische Elemente ihrer jeweiligen Sprache schneller und leichter erlernen als solche, die im Widerspruch zur kreolischen Grammatik stehen. Diese Überlegung mag die allbekannten Schwierigkeiten erklären, die Kinder in englischsprachigen Ländern mit der Verneinung haben : Sie bestehen oft auf doppelter Verneinung wie im Kreolischen,
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