Der dritte Zustand
anscheinend mal was über Liebe und Leid untergekommen, und seitdem läufst du in ganz Jerusalem rumund referierst über Liebe und Leid. Eben hätte ich beinah gesagt, du würdest nur dich selber lieben. Aber das stimmt auch nicht. Du liebst nicht mal dich selber. Gar nichts liebst du. Höchstens vielleicht den Sieg bei Diskussionen. Egal. Zieh dir endlich die Jacke an. Deinetwegen komme ich zu spät.«
»Darf ich hier auf dich warten? Ich warte geduldig. Sogar bis zum Abend.«
»In der Hoffnung, daß Teddy vorher nach Hause kommt? Und dich noch mal in unserem Bett unter meiner Decke findet?«
»Ich verspreche, mich heute gut zu benehmen«, flüsterte Fima.
Und wie in der festen Absicht, das sofort durch Taten zu beweisen, sprang er zur Spüle und goß den Kaffee weg, den er gar nicht angerührt hatte, obwohl er inzwischen geistesabwesend sämtliche Butterkekse aus der Packung auf dem Tisch vertilgt hatte. Und da er sah, daß der Spülstein voll schmutzigem Geschirr stand, krempelte er den einen Ärmel hoch, drehte den Hahn auf und wartete energisch, bis warmes Wasser kam. Auch als Jael sagte, bist du übergeschnappt, Efraim, laß das, nach dem Mittagessen tun wir sowieso alles in die Maschine, hörte er nicht auf sie, sondern begann enthusiastisch die Teile einzuseifen und sie so auf die Marmorplatte abzustellen. Das beruhige ihn, sagte er, in fünf Minuten sei er damit fertig, vorausgesetzt, es käme endlich ein bißchen warmes Wasser. Mit Freuden werde er ihnen ersparen, die Spülmaschine in Gang zu setzen, und das Geschirr würde auch viel sauberer, und inzwischen unterhalten wir uns noch etwas. Was ist denn bei euch der kalte und was der warme Hahn? Was ist das denn? Amerika? Alles verkehrt rum bei euch? Aber wenn du schon weg mußt – meinetwegen gern. Geh und komm wieder, Jael. Ich verpflichte mich, die ganze Zeit nur im Bereich der Küche zu bleiben. Nicht in der Wohnung herumzulaufen. Nicht mal auf die Toilette werd’ ich gehen. Soll ich inzwischen vielleicht das Besteck putzen? Oder den Kühlschrank saubermachen? Hier bleib’ ich und warte. Egal wie lange. Wie eine Solveig männlichen Geschlechts. Ich hab’ ein Buch über Walfänger in Alaska, da steht was über einen Eskimobrauch ... egal. Mach dir keine Sorgen um mich, Jael, es macht mir nichts aus, den ganzen Tag zu warten. Sorg dich dafür lieber ein bißchen um Dimmi. Um Teds lustigen Ausdruck zu verwenden, könnte man sagen, Dimmis Zustand ist ein bißchen unten. Meines Erachtens müssen wir zuallererst einen ganz anderen sozialen Rahmen für ihn finden. Vielleicht ein Internat für Hochbegabte?Oder gerade umgekehrt hier bei uns zwei oder drei Nachbarskinder zähmen –
Urplötzlich, als habe sie ihren Widerwillen in ätzenden Zorn übersetzt, riß sie ihm den seifentriefenden Schwamm und die Bratpfanne aus der Hand: »Fertig. Aus. Genug mit dieser Komödie. Warum spült ihr Geschirr. Warum versucht ihr dauernd Mitleid zu erregen. Ich hab’ kein Mitleid für euch. Ich will nicht euer aller Mama sein. Dieser Junge brütet dauernd über bösen Plänen, obwohl ich nicht kapiere, was ihm noch fehlt, was haben wir ihm nicht alles gekauft, Video, Atari, Compact Disc, jedes Jahr eine Amerikareise, nächste Woche kriegt er sogar seinen eigenen Fernseher ins Zimmer, als zögen wir hier einen Prinzen groß. Und du kommst jedesmal her, um ihn verrückt zu machen und mir Schuldgefühle einzuimpfen – was für Eltern wir eigentlich sind – und Dimmi die kranken Vögel in den Kopf zu setzen, die dir im Hirn rumschwirren. Fertig. Aus. Ich hab’ genug davon. Komm nicht mehr, Fima. Du lebst im Prinzip allein, hängst dich aber immerzu an alle dran. Und bei mir ist es genau umgekehrt, alle hängen sich an mich, obwohl ich mir wirklich nichts weiter wünsche, als endlich allein zu sein. Geh jetzt, Efraim. Ich kann dir nichts geben und auch sonst niemandem. Und selbst wenn ich’s könnte, würde ich’s nicht tun. Warum sollte ich? Ich bin keinem, glaub ich, etwas schuldig. Und ich beschwere mich auch über niemanden. Teddy ist immer hundertprozentig in Ordnung, niemals neunundneunzig Prozent. Wie ein Kalender, auf dem steht, was erledigt werden muß, und dann tut man’s, streicht’s durch und notiert neue Besorgungen. Heute morgen hat er vorgeschlagen, mir als Geburtstagsgeschenk das Stromnetz in der Wohnung auf drei Phasen umzustellen. Hast du schon mal von einem Ehemann gehört, der seiner Frau drei Phasen zum Geburtstag schenkt? Und Dimmi gießt die
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