Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
wie sie lag: mit dem Kopf auf seinem Oberschenkel und dem Arm um seine Taille. Das mußte sie im Schlaf selbst getan haben. Es machte sie verlegen, wie nahe ihr Gesicht seinem Penis war. Sie fragte sich, was er von ihr denken mochte. Ihr Benehmen war sehr unschicklich gewesen. Sie hatte sich vor ihm ausgezogen, dann war sie auch noch auf ihm eingeschlafen. Sie benahm sich, als wären sie ein altes Liebespaar.
    Nun, ich habe zumindest mir gegenüber eine Entschuldigung: es war eine schreckliche Woche für mich gewesen.
    Sie war von McHenty, dem Streifenpolizisten, mies behandelt, von ihrem Vater ausgeraubt, von der New York Times beschuldigt, von Dennis Pinker mit einem Messer bedroht, von der Uni gefeuert und in ihrem Wagen überfallen worden. Sie fühlte sich mißbraucht und völlig am Boden zerstört.
    Ihr Gesicht schmerzte noch, wo sie gestern den Fausthieb abbekommen hatte, aber die Verletzungen waren nicht nur körperlich. Der Überfall hatte auch ihre Psyche verletzt. Wenn sie an die tätliche Auseinandersetzung im Auto dachte, kehrte ihre Wut zurück, und sie wollte dem Kerl an die Kehle. Sogar wenn sie nicht daran dachte, verspürte sie im Hintergrund eine tiefe Mutlosigkeit, als wäre ihr Leben durch diesen Überfall weniger wert.
    Es war erstaunlich, daß sie überhaupt noch irgendeinem Mann trauen konnte; erstaunlich, daß sie auf der Couch auf einem einschlafen konnte, der genauso aussah wie ihr Angreifer. Doch nun konnte sie noch sicherer sein, was Steve betraf. Keiner der anderen hätte die Nacht so verbringen können, allein mit einer jungen Frau, ohne sich ihr aufzuzwingen.
    Sie runzelte die Stirn. Steve hatte nachts etwas getan, erinnerte sie sich vage, etwas Nettes. Ja: Sie hatte eine verträumte Erinnerung an große Hände, die rhythmisch zärtlich über ihr Haar strichen, eine lange Zeit, wie ihr schien, während sie zufrieden schlief wie eine gestreichelte Katze.
    Sie lächelte und rührte sich, und er fragte sofort: »Bist du wach?« Und da erinnerte sie sich auch, daß sie, als sie immer wieder das Hearing durchexerzierten, angefangen hatten, einander zu duzen.
    Sie gähnte und streckte sich. »Tut mir leid, daß ich auf dir eingeschlafen bin. Bist du okay?«
    »Weil ich völlig reglos hier gesessen habe, ist mein linkes Bein gegen fünf Uhr eingeschlafen, doch seit ich mich daran gewöhnt habe, geht’s mir gut.«
    Sie setzte sich auf, damit sie ihn besser sehen konnte. Seine Kleidung war zerknittert, sein Haar zerzaust, und er hatte helle Bartstoppeln. Trotzdem sah er zum Anbeißen aus. »Hast du geschlafen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, es machte mir zuviel Freude, dich anzuschauen.«
    »Sag bloß nicht, daß ich schnarche.«
    »Du schnarchst nicht. Du sabberst ein bißchen, das ist alles.« Er tupfte auf eine feuchte Stelle auf seiner Hose.
    »Oje!« Sie stand auf. Ihr Blick fiel auf die leuchtendblaue Wanduhr. Es war halb neun. »Wir haben nicht mehr viel Zeit!« rief sie er schrocken. »Die Anhörung beginnt um zehn!«
    »Du gehst duschen, und ich mache uns inzwischen Kaffee«, schlug Steve großmütig vor.
    Sie starrte ihn an. War er wirklich ein Mensch oder vielleicht ein Schutzengel?
    »Hat dich der Weihnachtsmann geschickt?«
    Er lachte. »Nach deiner Theorie komme ich aus einer Retorte.« Gleich wurde sein Gesicht ernst. »Ach, wer weiß …«
    Auch ihre Stimmung verdüsterte sich wieder. Sie trat ins Badezimmer, ließ den Frotteemantel fallen und stieg unter die Dusche. Während sie ihr Haar wusch, dachte sie daran, wie sie sich in den letzten zehn Jahren abgeplagt hatte: der Wettkampf um Stipendien; das strapaziöse Tennistraining; dazu die vielen Stunden intensiven Lernens und Studierens; die griesgrämige Pingeligkeit ihres Doktorvaters. Sie hatte geschuftet wie ein Roboter, um dorthin zu kommen, wo sie heute war, und das alles, weil sie eine Wissenschaftlerin sein und den einzelnen Exemplaren der menschlichen Rasse zum besseren Verständnis füreinander verhelfen wollte. Und jetzt war Berrington Jones dabei, das alles zunichte zu machen.
    Nach dem Duschen fühlte sie sich besser. Sie frottierte sich gerade das Haar, als das Telefon läutete. Sie griff nach dem Apparat auf dem Tischchen neben dem Bett. »Ja?«
    »Jeannie, hier ist Patty.«
    »Hi, Schwester, was gibt’s?«
    »Daddy hat sich sehen lassen.«
    Jeannie setzte sich aufs Bett. »Wie geht’s ihm?«
    »Er ist pleite, aber gesundheitlich geht’s ihm recht gut.«
    »Er war schon bei mir. Am Montag ist er gekommen.

Weitere Kostenlose Bücher