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Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Gesicht einen verängstigten, kläglichen Ausdruck gezeigt. Natürlich brauchte sie frische Kleidung, aber noch dringender brauchte sie eine Frau an ihrer Seite, die bei ihr blieb, ihr die Hand hielt und ihr Mut zusprach. Mit einem bewaffneten Macho allein gelassen zu werden konnte Lisa jetzt wohl am wenigsten gebrauchen. Als sie in ihren Wagen sprang, wurde Jeannie klar, daß sie einen schweren Fehler gemacht hatte. »Großer Gott, was für ein Tag«, sagte sie, als sie den Mercedes vom Parkplatz lenkte.
    Sie wohnte nicht weit vom Campus. Ihre Wohnung bildete das Obergeschoß eines kleinen Reihenhauses. Jeannie parkte in der zweiten Reihe, stürmte ins Gebäude und die Treppe hinauf.
    Hastig wusch sie sich Gesicht und Hände und zog sich frische Kleidung an. Für einen Augenblick fragte sie sich, welche von ihren Sachen der kleinen, rundlichen Lisa paßten. Schließlich entschied sie sich für ein Polohemd in Übergröße und eine Trainingshose mit elastischem Bund. Bei der Unterwäsche war es schwieriger. Jeannie suchte ein Paar weite Männer-Boxershorts heraus, das seinen Zweck vielleicht erfüllen mochte, doch keiner ihrer BHs würde Lisa passen. Egal, dann mußte Lisa eben ohne herumlaufen. Jeannie schnappte sich noch ein Paar Schuhe, stopfte alles in eine Sporttasche, und stürmte wieder zum Wagen.
    Während sie zum Krankenhaus fuhr, veränderte sich ihre Stimmung. Seit dem Ausbruch des Feuers waren ihre Gedanken stets darauf gerichtet gewesen, was sie als nächstes tun mußte; nun aber stieg Zorn in ihr auf. Lisa war eine fröhliche, redselige Frau, doch der Schock und das Entsetzen über die Geschehnisse hatten eine wandelnde Leiche aus ihr gemacht - dermaßen verängstigt, daß sie nicht einmal allein in einen Streifenwagen steigen wollte.
    Als Jeannie über die Einkaufsstraße fuhr, hielt sie nach dem Mann mit der roten Baseballmütze Ausschau. Sie malte sich aus, wie sie ihn erblickte, mit dem Wagen auf den Bürgersteig raste und den Kerl über den Haufen fuhr. Doch sie mußte sich eingestehen, daß sie ihn gar nicht wiedererkennen würde. Bestimmt trug der Bursche das gepunktete Halstuch und die Mütze nicht mehr. Was hatte er sonst noch angehabt? Schockhaft wurde Jeannie klar, daß sie sich kaum mehr erinnern konnte. Irgendeine Art T-Shirt, ging es ihr durch den Kopf, und Jeans oder Shorts. Aber vielleicht hatte er sich inzwischen ja umgezogen, so wie sie selbst.
    Im Grunde konnte es jeder hochgewachsene Weiße auf der Straße sein: der Pizza-Auslieferungsfahrer, ein junger Bursche im roten Kittel; der Glatzkopf, der mit seiner Frau zur Kirche ging, die Gesangbücher unter den Armen; der gutaussehende bärtige Mann, der einen Gitarrenkasten mit sich trug; sogar der Polizist, der vor dem Spirituosengeschäft mit einem Penner redete. Es gab nichts, worauf Jeannie ihre Wut hätte richten können. Sie krampfte die Hände so fest um das Lenkrad, daß die Knöchel weiß hervortraten.
    Das Santa Teresa war ein großes Vorstadt-Krankenhaus unweit der nördlichen Stadtgrenze. Jeannie ließ ihren Wagen auf dem Parkplatz stehen und rannte zur Notaufnahme.
    Lisa lag bereits in einem Bett, in ein Krankenhemd gekleidet. Sie starrte ins Leere. In einem Fernseher wurde die Emmy-Preisverleihung übertragen, doch der Ton war abgestellt: Hunderte von Hollywood-Berühmtheiten in Abendgarderobe tranken Champagner und beglückwünschten einander.
    McHenty saß neben Lisas Bett, ein Notizbuch auf den Knien.
    Jeannie stellte die Sporttasche ab. »Hier sind deine Sachen. Was ist passiert?«
    Lisas Miene blieb ausdruckslos, und sie schwieg weiterhin. Jeannie vermutete, daß die Freundin immer noch unter Schock stand. Sie kämpfte ihre Gefühle nieder, rang um Fassung. Doch irgendwann mußte sie ihrer Wut freien Lauf lassen; früher oder später würde es zur Explosion kommen.
    »Ich muß die wichtigsten Fakten des Tathergangs aufnehmen, Miß …«, sagte McHenty. »Würden Sie uns ein paar Minuten allein lassen?«
    »Ja, natürlich«, entgegnete Jeannie entschuldigend. Dann fing sie einen Blick Lisas auf, und sie zögerte. Erst vor wenigen Minuten hatte sie sich in die schwärzeste Hölle gewünscht, daß sie Lisa mit einem Mann allein gelassen hatte.
    Jetzt war sie drauf und dran, es wieder zu tun. »Andererseits«, sagte sie, »wäre es Lisa vielleicht lieber, wenn ich bleibe.« Sie sah ihre Vermutung bestätigt, als Lisa kaum merklich nickte. Jeannie setzte sich aufs Bett und nahm die Hand der Freundin.
    McHenty blickte

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