Der Dritte Zwilling.
Standardwerk über getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge. Jeannie hatte einfach den erstbesten Namen genannt, der ihr eingefallen war. Es stand jetzt fest, daß sie die Liste mit den Klonen besaß.
Berrington war entsetzt. Finster entschlossen, fragte er weiter. »Was hat sie gesagt, Sir?«
»Sie hat mich nach meinem Geburtsort und meinem Geburts datum gefragt.«
Damit hatte sie sich vergewissert, daß sie mit dem richtigen Henry King sprach.
»Es kam mir schon ein bißchen komisch vor«, fuhr Hank fort. »War das irgendeine krumme Sache?«
Berrington dachte sich spontan eine Antwort aus. »Die Frau hat für eine Versicherungsgesellschaft spioniert. Das ist zwar illegal, kommt aber immer wieder vor. Die Bell Telephone Company bittet Sie um Entschuldigung für die Störung, Mr. King. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Keine Ursache.«
Berrington legte auf. Er war fix und fertig. Jeannie hatte die Namen. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie die dazugehörigen Personen aufgespürt hatte.
Er steckte so tief in der Tinte wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Kapitel 53
Dish Delaware lehnte es rundheraus ab, nach Philadelphia zu fahren und Harvey Jones zu verhören. »Wir haben dieses Spielchen gestern schon getrieben«, sagte sie, als Jeannie sie um halb acht Uhr morgens endlich erreichte. »Meine Enkelin wird heute ein Jahr alt. Ich habe auch ein Privatleben, wissen Sie?«
»Aber Sie wissen, daß ich recht habe!« protestierte Jeannie. »Wayne Stattner war doch ein Doppelgänger von Steve.«
»Von seinen Haaren abgesehen, ja. Und außerdem hatte er ein Alibi.«
»Was werden Sie denn jetzt unternehmen?«
»Ich werde die Polizei in Philadelphia anrufen und mich mit jemandem von der Abteilung für Sexualverbrechen verbinden lassen. Die sollen sich um die Sache kümmern. Ich faxe ihnen auch das Phantombild rüber. Die Kollegen werden
überprüfen, ob Harvey Jones dem Bild ähnelt und ihn fragen, ob er belegen kann, wo er sich an dem besagten Sonntagnachmittag herumgetrieben hat. Wenn die Antworten auf diese beiden Fragen ›Ja‹ und ›Nein‹ lauten, ist der Mann verdächtig.«
Wutentbrannt knallte Jeannie den Hörer auf die Gabel. Nach alldem, was sie durchgemacht hatte, jetzt das! Nachdem sie die ganze Nacht durchgearbeitet hatte, um diese Klone ausfindig zu machen!
Eines stand fest: Herumsitzen und darauf warten, daß die Polizei endlich aktiv würde, kam für sie nicht in Frage. Ich fahre selbst nach Philadelphia und sehe mir diesen Harvey an, dachte sie. Ich werde ihn nicht blöd anreden, ja überhaupt nicht einmal ansprechen. Aber ich parke vor seiner Wohnung und warte, ob er irgendwann aufkreuzt … Wenn dabei nichts herauskam, konnte sie mit den Nachbarn reden und ihnen das Bild von Steve zeigen, das Charles ihr geschenkt hatte. Auf die eine oder andere Weise würde sie schon beweisen können, daß dieser Harvey Steves Doppelgänger war.
Sie erreichte Philadelphia gegen halb elf. Vor den Gospel-Kirchen in University City waren schwarze Familien im Sonntagsstaat versammelt, und auf den Vortreppen der alten Häuser saßen müßige Teenager und rauchten. Die Studenten lagen dagegen noch in ihren Betten. Lediglich die verrosteten Toyotas und durchhängenden Chevrolets, deren Stoßstangen mit Aufklebern von College-Sportclubs und lokalen Rundfunkstationen geschmückt waren, verrieten, daß es sie gab. Das Gebäude, in dem Harvey Jones wohnte, war ein riesiges, baufälliges Haus im viktorianischen Stil, das in einzelne Apartments aufgeteilt worden war. Jeannie fand einen Parkplatz auf der gegenüberliegen den Straßenseite und beobachtete eine Zeitlang den Eingang. Um elf Uhr ging sie hinein.
Das Gebäude klammerte sich verbissen an die letzten Reste früherer Wohlanständigkeit. Ein fadenscheiniger Läufer kroch müde die Treppen empor, und auf den Fensterbrettern standen verstaubte Plastikblumen in billigen Vasen.
Auf makellosen Notizzetteln der Hausverwaltung wurden die Mieter in der schrägen Schrift einer älteren Dame dazu angehalten, ihre Wohnungstüren leise zu schließen und den Müll in gut verschlossenen Plastiksäcken auf die Straße zu bringen; außerdem seien die Flure und das Treppenhaus kein Kinderspielplatz.
Hier wohnt er also, dachte Jeannie und bekam eine Gänsehaut. Ob er zu Hause ist?
Harvey lebte in Wohnung 5 B, also offenbar ganz oben unter dem Dach. Jeannie klopfte an die erste Tür im Erdgeschoß. Ein langhaariger, barfüßiger Mann mit verschwommenem Blick
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