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Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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öffnete. Jeannie zeigte ihm das Foto. Er schüttelte den Kopf und knallte ihr die Tür vor der Nase zu. Sie erinnerte sich an Lisas Nachbarn, der zu ihr gesagt hatte: »Was bilden Sie sich eigentlich ein, wo Sie sind, Lady? Aufm Dorf oder was? Ich weiß nicht mal, wie meine Nachbarin aussieht!« Sie biß die Zähne zusammen und stieg die Treppen ins Obergeschoß hinauf. Auf einer Karte in einem kleinen Metallrahmen an der Tür des Apartments 5 B stand lediglich der Name »Jones«. Ansonsten unterschied sich die Tür in nichts von allen anderen, an denen sie vor beigekommen war.
    Jeannie lauschte. Zu hören war nur der angstvolle Schlag ihres eigenen Herzens.
    Drinnen rührte sich nichts. Wahrscheinlich war er nicht zu Hause.
    Sie klopfte an die Tür von Nr. 5 A. Sekunden später wurde sie von einem alten Weißen geöffnet. Er trug einen gestreiften Anzug, der vor langer Zeit mal todschick gewesen war. Sein Haar war so intensiv rot blond, daß es gefärbt sein mußte. Er wirkte nicht unfreundlich. »Hallo«, sagte er.
    »Hallo. Ist Ihr Nachbar zu Hause?«
    »Nein.«
    Jeannie war gleichermaßen erleichtert wie enttäuscht. Sie holte das Foto heraus und zeigte es vor. »Ist er das?«
    Der Nachbar nahm das Foto zur Hand und betrachtete es blinzelnd. »Ja, das ist er.«
    Ich hatte recht! Wieder ein Beweis! Mein Suchprogramm funktioniert!
    »Bildhübsch, nicht wahr?«
    Der Herr Nachbar ist schwul, dachte Jeannie. Ein eleganter alter Homosexueller.
    Sie lächelte. »Ja, das kann man wohl sagen. Haben Sie eine Ahnung, wo er zu finden ist?«
    »Sonntags ist er meistens unterwegs. Verschwindet so um zehn herum und kommt erst nach dem Abendessen wieder.«
    »War er letzten Sonntag auch unterwegs?«
    »Jawohl, junge Frau, ich glaube schon.«
    Er ist der Richtige! Er muß es sein …
    »Haben Sie eine Ahnung, wohin er geht?«
    »Nein.«
    Ich schon. Er fährt nach Baltimore …
    »Er redet ja nicht viel«, sagte der alte Mann. »Tatsache ist, er redet überhaupt nicht. Sind Sie von der Polizei?«
    »Nein, aber ich komme mir fast so vor.«
    »Was hat er denn ausgefressen?«
    Jeannie zögerte. Warum soll ich nicht die Wahrheit sagen, dachte sie. »Ich glaube, er hat eine Frau vergewaltigt.«
    Den alten Herrn schien das nicht zu überraschen. »Das kann ich mir durchaus vorstellen. Ein merkwürdiger Typ. Ein paar Mädchen sind weinend davongelaufen, das habe ich gesehen. Zweimal.«
    »Ich würde mich gerne mal in seiner Wohnung umsehen.« Viel leicht gab es Indizien, die Harvey mit der Vergewaltigung in Verbindung brachten.
    Der Nachbar bedachte sie mit einem verschwörerischen Blick. »Ich habe einen Schlüssel«, sagte er.
    »Tatsächlich?«
    »Ja, vom Vormieter. Wir waren befreundet. Nach seinem Auszug habe ich ihn nicht mehr zurückgegeben - und der Typ nebenan hat das Schloß nie ausgewechselt. Hält sich wahrscheinlich für zu groß und stark, als daß ihm was passieren könnte.«
    »Würden Sie mich reinlassen?«
    Er zögerte. »Ich bin ja auch neugierig, wie’s bei dem aussieht - aber was machen wir, wenn er uns in seiner Wohnung überrascht? Der ist ganz schön groß. Wenn der auf mich losgeht - nein, danke!«
    Auch Jeannie jagte der Gedanke Angst und Schrecken ein, aber ihre Neugier war noch stärker.
    »Das Risiko nehme ich auf mich«, sagte sie.
    »Warten Sie, ich komme gleich wieder!«
    Was sie wohl finden würden? Einen Sadismus-Tempel wie bei Wayne Stattner?
    Eine grausige Absteige mit halbverzehrten Fertiggerichten und haufenweise dreckiger Wäsche? Die übertriebene Sauberkeit einer zwangsneurotischen Persönlichkeit?
    Der Nachbar kam wieder zur Tür. »Übrigens, ich bin Maldwyn.«
    »Mein Name ist Jeannie.«
    »Eigentlich heiße ich Bert, aber das klingt so furchtbar banal, finden Sie nicht auch? Ich habe mich immer Maldwyn genannt.« Er steckte den Schlüssel ins Türschloß, drehte ihn um und trat ein.
    Jeannie folgte ihm.
    Es war eine typische Studentenbude - kombiniertes Wohn-und Schlafzimmer, Küchenecke, kleines Bad mit Toilette, möbliert mit allerhand Gerümpel und Sperrmüll: einer Kommode aus Kiefernholz, einem bemalten Tisch, drei nicht zueinander passenden Stühlen, einem durchgesessenen Sofa und einem großen, alten Fernsehapparat. Die Wohnung war seit geraumer Zeit nicht mehr gereinigt worden, und das Bett war ungemacht. Enttäuschender Durchschnitt, fand Jeannie.
    Sie schloß die Wohnungstür hinter sich.
    »Sehen Sie sich um, aber fassen Sie nichts an«, sagte Maldwyn. »Ich will nicht, daß er

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