Der Dritte Zwilling.
Berrington legte auf.
Doch er ließ Jeannie nicht umgehend zu sich rufen. Statt dessen lehnte er sich zurück und brachte Ordnung in seine Gedanken.
Auf seinem Schreibtisch stand ein altes Schwarzweißfoto, das seinen Vater als Lieutenant zeigte, in seiner schmucken weißen Marineuniform und Mütze.
Berrington war sechs Jahre alt gewesen, als die Wasp gesunken war. Wie jeder kleine Junge in Amerika hatte er die Japse gehaßt und sich mit Spielen beschäftigt, in denen er sie in seiner Phantasie dutzendweise abschlachtete. Und sein Daddy war ein unbesiegbarer Held gewesen, groß und männlich, stark und tapfer und stets der Sieger. Berrington konnte immer noch den alles überwältigenden Zorn spüren, der ihn durchdrungen hatte, als er erfuhr, daß die Japaner seinen Vater getötet hatten. Er hatte zu Gott gebetet, der Krieg möge so lange dauern, bis er erwachsen war und zur Marine gehen konnte, um aus Rache eine Million Schlitzaugen zu töten.
Er hatte nie einen Menschen getötet. Aber er hatte auch nie eine japanische Hilfskraft eingestellt oder einem japanischen Studenten den Hochschulzugang erlaubt oder einem japanischen Psychologen einen Job angeboten.
Viele Männer, die vor einem Problem stehen, stellen sich die Frage, was ihr Vater an ihrer Stelle tun würde. Das war etwas, das ihm entging. Er war zu jung gewesen, um seinen Vater gut genug kennenzulernen. Berrington hatte keine Ahnung, wie Lieutenant Jones sich in einem Krisenfall verhalten hätte. Er hatte nie einen richtigen Vater gehabt, nur einen Superhelden.
Berrington beschloß, sich bei Jeannie Ferrami zu erkundigen, auf welche Weise sie sich ihre Versuchspersonen beschaffte. Und dann würde er sie fragen, ob sie mit ihm zu Abend essen wollte.
Er wählte Jeannies Nummer im Institut. Sie nahm sofort ab. Berrington senkte die Stimme und redete in einem Tonfall, den Vivvie, seine Exfrau, stets als seine ›Samtstimme‹ bezeichnet hatte. »Jeannie, hier Berry«, sagte er.
Sie erwiderte in ihrer typischen Direktheit: »Was liegt an?«
»Könnte ich ein paar Minuten mit Ihnen sprechen, bitte?«
»Ja, sicher.«
»Sind Sie so nett, und kommen in mein Büro?«
»Ich bin sofort da.« Sie legte auf.
Während Berrington auf sie wartete, fragte er sich müßig, mit wie vielen Frauen er eigentlich ins Bett gegangen war. Es würde zu lange dauern, sie sich nacheinander ins Gedächtnis zu rufen; aber vielleicht konnte er eine grobe Schätzung auf wissenschaftlicher Basis vornehmen. Mehr als eine, mehr als zehn bestimmt. Waren es mehr als hundert? Das wären dann zwei Komma fünf Frauen pro Jahr, rechnete er von seinem neunzehnten Lebensjahr an. Nein, diese Zahl lag mit Sicherheit zu niedrig. Tausend Frauen? Das machte dann fünfundzwanzig pro Jahr. Alle vierzehn Tage eine andere, vierzig Jahre lang? Nein, so gut war er nun auch wieder nicht gewesen. Im Laufe der zehn Jahre, in denen er mit Vivvie Ellington verheiratet gewesen war, hatte er vermutlich nicht mehr als fünfzehn, zwanzig außereheliche Beziehungen gehabt. Aber hinterher hatte er das Versäumte nachgeholt. Also schön, die Zahl lag irgendwo zwischen hundert und tausend. Aber er hatte nicht die Absicht, mit Jeannie ins Bett zu gehen. Er wollte vielmehr herausfinden, wie sie Verbindung mit Steve aufgenommen hatte.
Jeannie klopfte an und kam ins Zimmer. Sie trug einen weißen Laborkittel über Rock und Bluse. Es gefiel Berrington, wenn junge Frauen die Kittel trugen, als wären es Kleider - mit nichts darunter als der Unterwäsche. Er fand es sexy.
»Nett von Ihnen, daß Sie gekommen sind«, sagte er, zog Jeannie einen Stuhl heran und schob seinen eigenen Bürosessel hinter dem Schreibtisch hervor, so daß sich keine Barriere zwischen ihnen befand. Seine erste Aufgabe bestand nun darin, Jeannie irgendeine plausible Erklärung für sein Verhalten bei der Begegnung mit Steve Logan zu liefern. Es würde nicht leicht sein, sie zu täuschen. Berrington wünschte sich, er hatte mehr Denkarbeit in diese Aufgabe investiert, statt sich damit zu befassen, die Zahl seiner Eroberungen zu ermitteln. Er setzte sich und bedachte Jeannie mit seinem entwaffnendsten Lächeln. »Ich möchte mich für mein seltsames Verhalten entschuldigen«, sagte er. »Ich war vorhin damit beschäftigt, mir Informationen von der Universität Sydney, Australien, per Modem überspielen zu lassen.« Er wies auf seinen Desktop-Computer. »In dem Moment, als Sie mich dem jungen Mann vorgestellt haben, fiel mir ein, daß ich den
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