Der Dritte Zwilling.
Krawatte und Bluejeans trug. Er fragte die Häftlinge nach ihren Namen, die er dann von einer Liste abhakte.
Steve schaute über die Schulter. Außer seinen Eltern saß niemand in den Bankreihen. Einerseits war er dankbar, daß er, im Gegensatz zu den anderen Häftlingen, eine Familie hatte, der er soviel bedeutete und die sich die Zeit genommen und die Mühe gemacht hatte, hier herzukommen. Andererseits hätte er diese Demütigung lieber ohne Zeugen hinter sich gebracht.
Sein Vater erhob sich und kam nach vorn. »Ja, Sir?« fragte der Mann in Bluejeans dienstbeflissen.
»Ich bin Steven Logans Vater. Ich würde gern mit ihm reden.« Dad verfiel automatisch in seine befehlsgewohnte Offiziersstimme. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
»David Purdy, der leitende Untersuchungsbeamte. Ich habe Sie heute vormittag angerufen.«
So also hatten Mom und Dad es erfahren! Steve hätte es sich denken können. Der Haftrichter hatte ihm gesagt, daß ein Untersuchungsbeamter seine Behauptungen überprüfen würde. Da war natürlich das einfachste, seine Eltern anzurufen. Er wand sich innerlich, als er an diesen Anruf dachte und was Purdy wohl gesagt haben mochte: »Ich muß die Adresse von Steven Logan überprüfen. Er wird der Vergewaltigung beschuldigt und befindet sich in Baltimore in Haft.«
Dad schüttelte dem Mann die Hand. »Sehr angenehm, Mr. Purdy.« Aber Steve spürte, daß Dad ihn nicht ausstehen konnte.
»Es ist nichts dagegen einzuwenden, daß Sie mit Ihrem Sohn sprechen«, sagte Purdy.
Dad nickte knapp. Er zwängte sich in die Bankreihe hinter den Häftlingen, setzte sich unmittelbar hinter Steve und drückte sanft seine Schulter. Steve konnte seine Tränen nicht zurückhalten. »Dad, ich habe es nicht getan.«
»Ich weiß, Steve.«
Dieser simple Vertrauensbeweis war zu viel für Steve. Er fing zu weinen an und konnte nicht mehr aufhören. Hunger und Schlafmangel hatten ihn geschwächt.
Die Anspannung und das Elend der vergangenen zwei Tage überwältigten ihn.
Immer wieder schluckte er und wischte sich mit den gefesselten Händen übers Gesicht.
Schließlich sagte sein Vater: »Wir wollten einen Anwalt für dich besorgen, aber dazu reichte die Zeit nicht.«
Steve nickte. Er würde sich selbst verteidigen, wenn er sich nur wieder in der Gewalt hatte.
Zwei Mädchen wurden von einer Wärterin hereingeführt. Ihnen hatte man keine Handschellen angelegt. Die beiden setzten sich und kicherten. Alter als achtzehn waren sie bestimmt nicht.
»Wie ist das eigentlich passiert?« fragte Dad.
Die Frage zu beantworten half Steve, mit dem Schluchzen auf zuhören. »Ich sehe wohl dem Kerl sehr ähnlich, der es getan hat.« Er schniefte und schluckte. »Die Überfallene hat mich bei einer Gegenüberstellung identifiziert. Und ich war zu dem fraglichen Zeitpunkt in der Gegend. Das habe ich bei der Vernehmung auch gesagt. Der DNS-Test wird meine Unschuld beweisen, aber es dauert drei Tage, bis alle Daten ausgewertet sind. Ich hoffe, daß ich heute auf Kaution frei komme.«
»Sag dem Richter, daß wir hier sind«, riet ihm Dad. »Das wird wahrscheinlich dazu beitragen.«
Steve fühlte sich wie ein Kind, das von seinem Vater getröstet wurde. Es brachte die bittersüße Erinnerung an den Tag zurück, an dem er sein erstes Fahrrad bekommen hatte. Es dürfte sein fünfter Geburtstag gewesen sein. Das Fahrrad hatte hinten zwei Stützräder, um ein Umkippen zu verhindern. Zu ihrem Haus gehörte ein großer Garten, von dem zwei Stufen zu einem Innenhof hinunterführten. »Fahr auf dem Rasen und bleib von den Stufen weg, Stevie«, hatte Dad gesagt. Doch das erste, was der kleine Stevie tat, war zu versuchen, die Stufen hinunterzufahren. Er stürzte und richtete sowohl das Rad wie sich selbst arg zu. Natürlich erwartete er, daß sein Vater wegen seines Ungehorsams zornig auf ihn sein würde. Dad hob ihn hoch, wusch und versorgte behutsam seine Wunden, und brachte auch das Rad wieder in Ordnung. Stevie wartete auf die Schimpfkanonade, aber es kam keine; nicht einmal ein
»Ich-hab’-dir’s-doch-gesagt«. Egal was passierte, Steves Eltern waren immer auf seiner Seite.
Der Richter betrat den Saal.
Oder vielmehr die Richterin. Sie war eine attraktive Weiße von etwa fünfzig Jahren, sehr zierlich und adrett. Sie trug einen schwarzen Talar und hielt in der rechten Hand eine Dose Cola Light, die sie auf den Richtertisch stellte, als sie sich dahinter setzte.
Steve bemühte sich, in ihrem Gesicht zu lesen. War sie gefühllos
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