Der Dritte Zwilling.
war klein und dünn; Steve hielt ihn für einen harmlosen Irren. Aber vielleicht war die Richterin, da sie eben eine Frau war, bei Sexualvergehen besonders unnachsichtig. Sie blickte auf ihre Liste. »Steven Charles Logan.« Steve hob die Hand. Bitte, bitte, laß mich hier raus! »Sie werden der schweren Vergewaltigung beschuldigt. Darauf steht nach den Gesetzen dieses Staates eine lebenslängliche Haftstrafe.« Steve hörte seine Mutter aufschreien.
Die Richterin verlas die weiteren Anklagepunkte und möglichen Strafzumessungen. Dann stand der Untersuchungsbeamte auf und trug vor, was er von Steve wußte: sein Alter, seine Adresse, seinen Beruf, und daß er weder Vorstrafen hatte noch drogenabhängig war. Im Vergleich zu den anderen Beklagten hielt Steve sich eigentlich für einen Musterschüler. Das mußte die Richterin doch gewiß beeindrucken. Als Purdy geendet hatte, stand Steve auf.
»Darf ich etwas sagen, Euer Ehren?«
»Ja, aber denken Sie daran, daß alles, was Sie hier sagen, zu Protokoll genommen wird und gegen Sie verwendet werden kann.«
»Ich bin unschuldig, Euer Ehren, aber offenbar sehe ich dem Täter ähnlich. Ich verspreche, wenn Sie mich auf Kaution entlassen, daß ich mich von dem Vergewaltigungsopfer fernhalte, falls Sie beabsichtigen sollten, das zur Bedingung zu machen.«
»Das würde ich ganz sicher.«
Er hätte gern für seine Freiheit plädiert, doch alle ausdrucksvollen Reden, die er sich in seiner Zelle ausgedacht hatte, waren wie weggewischt und ihm fiel nichts ein, was er noch hätte sagen können. Frustriert setzte er sich wieder.
Sein Vater erhob sich. »Euer Ehren, ich hin Stevens Vater, Colonel Charles Logan. Ich bin gern bereit, jegliche Fragen zu beantworten, die Sie mir stellen möchten.«
Sie bedachte ihn mit einem frostigen Blick. »Das wird nicht nötig sein.«
Steve fragte sich, weshalb sie seinem Vater die Intervention verübelte. Vielleicht wollte sie nur klarmachen, daß sein militärischer Rang sie nicht beeindruckte.
Vielleicht wollte sie damit sagen: »In meinem Gerichtssaal gilt jeder gleich, auch wenn er ein noch so seriöses Mitglied des achtbaren Mittelstandes ist.« Dad setzte sich wieder.
Die Richterin blickte Steve an. »Mr. Logan, kannten Sie die Frau vor dem Verbrechen, dessen Sie beschuldigt werden?«
»Ich bin ihr nie im Leben begegnet.«
»Hatten Sie sie je zuvor gesehen?«
Steve vermutete, daß sie sich fragte, ob er bereits eine Zeitlang hinter Lisa Hoxton hergewesen war, ehe er sie überfallen hatte. »Das weiß ich nicht, Euer Ehren; ich habe keine Ahnung, wie sie aussieht.«
Die Richterin schien sich das ein paar Sekunden durch den Kopf gehen zu lassen.
Steve kam sich vor, als hinge er mit den Fingerspitzen an einer steilen Felswand.
Ein Wort von ihr könnte ihn retten. Ließ sie ihn jedoch nicht auf Kaution frei, wäre es, als stürze er in einen bodenlosen Abgrund.
Schließlich gab sie bekannt: »Es wird eine Kaution von zweihunderttausend Dollar festgelegt.«
Eine Welle der Erleichterung überflutete Steve. Sein ganzer Körper entspannte sich. »Gott sei Dank«, murmelte er.
»Sie haben sich von Lisa Hoxton und der Vine Avenue 1321 fern zuhalten.«
Steve spürte wieder die Hand seines Vaters auf seiner Schulter. Trotz seiner Fesseln gelang es ihm, Vaters knochige Finger kurz zu berühren.
Es würde noch eine Stunde oder auch zwei dauern, bis er frei war, das war ihm klar; aber jetzt, da er wußte, daß er schon bald wieder ungesiebte Luft atmen durfte, machte ihm das nicht mehr soviel aus. Er würde sechs Big Macs vertilgen und rund um die Uhr schlafen. Er wollte ein heißes Bad und saubere Klamotten, und er wollte seine Armbanduhr zurückhaben. Er sehnte sich nach der Gesellschaft von Menschen, die nicht bei jedem Satz »Scheiße« sagten.
Und ihm wurde zu seiner eigenen Verwunderung bewußt, daß er mehr als alles andere Jeannie Ferrami anrufen wollte.
Kapitel 22
Jeannie hatte auf dem Rückweg zu ihrem Büro eine Mordswut. Maurice Obell war ein Feigling. Eine ehrgeizige Zeitungsschmiererin hatte ein paar aus der Luft gegriffene Gerüchte ausgespuckt, das war alles, und schon hatte der Mann die Hose voll. Und Berrington war zu schwach, ihr in dieser Sache Schützenhilfe zu leisten.
Ihr Computersuchprogramm war ihre größte Errungenschaft. Sie hatte begonnen, es zu entwickeln, als ihr bewußt wurde, daß ihre Forschungen zur Kriminalität niemals weiterkommen würden, wenn sie nicht neue Mittel und Wege fand, geeignete
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