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Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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blutende Lippen antwortete er Spike:
    »Leck mich doch am Arsch.«
    Erleichtert stellte Steve fest, daß Porky offenbar nicht ernstlich verletzt war.
    »Wir wollten Sie sowieso grad da rausholen, Collegeboy«, sagte Spike. »Diese Herren da sind hier, um Sie zum Gericht zu bringen.« Er konsultierte eine Liste.
    »Schau’n wir mal, wer noch vors Northern-District-Gericht soll. Ah, Mr. Robert Sandilands, besser bekannt als Sniff …« Er holte noch drei Häftlinge aus Zellen und kettete alle mit Steve zusammen. Dann brachten die beiden Polizisten sie zur Park rage und hießen sie in einen Bus steigen. Steve hoffte, er würde dieses Gefängnis nie mehr von innen sehen müssen.
    Im Freien war es noch dunkel. Er schätzte die Zeit auf etwa sechs Uhr. Gerichte öffneten nicht vor neun oder zehn, das bedeutete eine lange Wartezeit. Ungefähr fünfzehn oder zwanzig Minuten fuhren sie durch die City, dann durch das Garagentor eines Gerichtsgebäudes. Sie stiegen aus dem Bus und wurden in das Untergeschoß geführt.
    Hier standen acht große Pferche, Käfigen ähnlich, rund um einen freien Platz in der Mitte des riesigen Raums. Jeder war mit einer Bank und einer Toilette ausgestattet und größer als die Zellen der Polizeidirektion. Die vier Untersuchungshäftlinge wurden von ihren Ketten befreit und in einen Käfig gebracht, in dem bereits sechs Männer saßen. Es gab hier mehrere Wärter, die unter dem Kommando einer großen Schwarzen in Uniform standen, deren Rangabzeichen sie als Sergeant auswiesen. Ihr hartes unnachgiebiges Gesicht warnte davor, sich besser nicht mit ihr anzulegen.
    Im Lauf der nächsten Stunde wurden noch dreißig, wenn nicht sogar mehr Häftlinge gebracht. Sie wurden so aufgeteilt, daß sich schließlich in jedem Pferch zwölf Mann befanden. Als eine kleine Gruppe Frauen hereingebracht wurde, fand ein Pfeifkonzert statt. Die Frauen sperrte man in einen Pferch ganz am hinteren Ende des Raums. Danach tat sich mehrere Stunden so gut wie gar nichts.
    Frühstück wurde gebracht, doch wieder lehnte Steve es ab. Er konnte sich nicht überwinden, in einem Raum mit Toilette zu essen. Einige Häftlinge unterhielten sich laut, die meisten jedoch schwiegen mit mürrischer Miene. Viele hatten offenbar einen Kater. Die Sprüche zwischen Häftlingen und Wärtern waren nicht so vulgär wie im Gefängnis, und Steve fragte sich, ob das wohl daran lag, daß hier eine Frau das Kommando hatte.
    Gefängnisse sind so ganz anders, als sie im Fernsehen gezeigt werden, dachte er.
    Fernsehshows und Filme ließen Haftanstalten wie billige Hotels aussehen, nie zeigten sie die offenen Toiletten, die Obszönitäten oder wie gnadenlos jene verprügelt wurden, die etwas angestellt oder sich unbeliebt gemacht hatten.
    Heute ist vielleicht mein letzter Tag in Gewahrsam. Hätte er an Gott geglaubt, würde er jetzt inbrünstig darum beten.
    Er schätzte es auf etwa Mittag, als die ersten Häftlinge aus den Pferchen geholt wurden.
    Steve gehörte zum zweiten Schub. Sie wurden wieder mit Hand schellen gefesselt und zu zehnt aneinandergekettet. So führte man sie zum Gericht hinauf.
    Der Gerichtssaal erinnerte Steve an eine Kirche der Methodisten. Bis zu einer schwarzen Linie in Taillenhöhe waren die Wände grün ge strichen, darüber
    cremefarben. Es gab einen grünen Bodenbelag und neun Reihen Bänke aus hellem Holz.
    In der hinteren Reihe saßen Steves Mutter und Vater. Er holte erschrocken Luft.
    Dad trug seine Uniform mit den Rangabzeichen eines Colonels, seine Mütze hielt er unter den Arm geklemmt. Er saß kerzengerade, wie in Habachtstellung. Mit seinem dunklen Haar, den blauen Augen und dem Schatten eines dichten Bartes auf den frischrasierten Wan gen, war seine keltische Abstammung unverkennbar.
    Sein Gesicht war unbewegt und angespannt von unterdrückten Gefühlsregungen.
    Mom saß neben ihm, klein und mollig, ihr hübsches rundes Gesicht auf gedunsen vom Weinen.
    Steve wünschte sich, er könnte im Boden versinken. Bereitwillig wäre er in Porkys Zelle zurückgekehrt, nur um dieser augenblicklichen Situation zu entfliehen. Mitten im Schritt blieb er stehen und hielt so die gesamte Reihe von Häftlingen auf, während er verzweifelt auf seine Eltern starrte, bis der Wärter ihm einen Stoß versetzte und er zur vordersten Bank stolperte.
    Die Protokollführerin saß den Häftlingen gegenüber. Ein Wärter bewachte die Tür. Der einzige weitere Gerichtsbeamte war ein etwa vierzigjähriger Schwarzer mit Brille, der eine Anzugjacke,

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