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Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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geht es dir?« erkundigte sich Jeannie.
    »Danke, gut.«
    Jeannie blickte sie forschend an. Lisa war immer noch ganz in sich gekehrt und ihre Miene unbewegt, während sie sich so auf ihre Arbeit konzentrierte, aber ihre innere Anspannung war unverkennbar. »Hast du schon mit deiner Mutter gesprochen?« Lisas Eltern wohnten in Pittsburgh.
    »Ich möchte sie nicht beunruhigen.«
    »Aber Mütter sind für ihre Kinder da. Ruf sie an!«
    »Vielleicht heute abend.«
    Jeannie erzählte die Sache mit der New-York- Times -Reporterin, während Lisa weiterarbeitete. Sie mischte die DNS-Proben mit einer Endonuklease, einem Nukleinsäuren spaltenden Enzym. Diese Enzyme zerstörten fremde DNS, die in den Körper gelangten. Das taten sie, indem sie lange DNS-Moleküle in Tausende kleinere Teilchen spalteten. Was sie für Genetiker so wichtig machte, war, daß eine Endonuklease die DNS immer am gleichen spezifischen Punkt spaltete. So konnten die Fragmente von zwei Blutproben verglichen werden. Wenn sie
    übereinstimmten, stammte das Blut vom selben Individuum oder von eineiigen Zwillingen. Waren sie andersartig, mußten sie von unterschiedlichen Individuen stammen.
    Es war, als schneide man ein paar Zentimeter Band von einer Opernaufnahme.
    Man nehme zwei Fragmente, jedes fünf Minuten nach Spielbeginn von zwei separaten Tonbändern abgeschnitten. Ist die Musik auf beiden Bandstücken ein Duett, das sich beispielsweise folgendermaßen anhört: »Se a caso madama«, sind alle zwei aus Figaros Hochzeit. Um die Möglichkeit auszuschließen, daß zwei völlig verschiedene Opern genau an dieser Stelle dieselbe Notenfolge haben, war es erforderlich, mehrere Fragmente zu vergleichen, nicht nur eines.
    Dieses Verfahren dauerte mehrere Stunden und ließ sich nicht be schleunigen; nur bei vollständiger Fragmentation der DNS konnten brauchbare Testergebnisse erzielt werden.
    Lisa war bestürzt über Jeannies Geschichte, zeigte jedoch nicht ganz soviel Anteilnahme, wie Jeannie erwartet hatte. Vielleicht lag es daran, daß sie erst vor drei Tagen ein verheerendes Trauma erlitten hatte, dem gegenüber Jeannies Krise fast unbedeutend erschien. »Wenn du dein Projekt aufgeben mußt, was würdest du dann statt dessen machen?« fragte Lisa.
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Jeannie. »Ich kann mir nicht einmal vorstellen, es aufzugeben.« Lisa konnte ganz einfach das überwältigende Verlangen nicht verstehen, das einen Wissenschaftler bewegte. Für Lisa, die Technikerin, war ein Forschungsprojekt wie das andere.
    Jeannie kehrte in ihr Büro zurück und rief das Bella Vista Sunset Home an. Bei allem, was in ihrem eigenen Leben vorging, hatte sie völlig vergessen, ihre Mutter anzurufen. »Dürfte ich mit Mrs. Ferrami sprechen?« bat sie.
    Die Antwort war barsch. »Jetzt wird zu Mittag gegessen.«
    Jeannie zögerte. »Wären Sie so nett ihr auszurichten, daß ihre Tochter angerufen hat und später noch einmal versuchen wird sie zu erreichen.«
    »Is’ gut.«
    Jeannie hatte das Gefühl, daß die Frau es nicht aufschrieb. »Ich bin J-e-a-n-n-i-e - ihre Tochter.«
    »Is’gut.«
    »Danke. Ich bin Ihnen sehr verbunden.«
    »Klar.«
    Jeannie legte auf. Sie mußte ihre Mutter da herausholen. Aber sie hatte immer noch nichts unternommen, um nebenbei an etwas Geld zu kommen.
    Die Zeiger ihrer Uhr zeigten kurz nach zwölf an. Jeannie griff nach der Maus und blickte auf den Schirm, aber es erschien ihr sinnlos zu arbeiten, wenn ihr Projekt vielleicht doch nicht weitergeführt werden konnte. In ihrem hilflosen Ärger beschloß sie, für heute Schluß zu machen und heimzugehen.
    Sie schaltete ihren Computer aus, sperrte ihr Büro zu und verließ das Gebäude.
    Immerhin hatte sie noch ihren roten Mercedes. Sie stieg ein und streichelte das so vertraute Lenkrad.
    Sie bemühte sich, ihre Probleme zu vergessen und sich Erfreulicherem zuzuwenden. Sie hatte einen Vater, zu dem sie wieder eine Beziehung aufbaute, und das war ja auch etwas. Vielleicht sollte sie mehr Zeit mit ihm verbringen. Sie könnten miteinander zum Hafen fahren und dort ein bißchen herumspazieren.
    Und sie könnte ihm bei Brook Brothers ein neues Sportjackett kaufen. Zwar hatte sie das Geld dafür nicht, aber sie würde ganz einfach mit der MasterCard bezahlen. Ach, zum Teufel, das Leben war kurz!
    Jetzt fühlte sie sich etwas besser. Sie fuhr heim und parkte den Wagen vor dem Haus. »Daddy, ich bin da!« rief sie, während sie die Treppe hinaufrannte.
    Als sie das Wohnzimmer betrat,

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