Der Dschungel
hatten und ihn neidvoll beobachteten.
Die riesigen Werke kamen in Gang – man konnte ein gewaltiges Dröhnen vernehmen, ein Rollen, Rumpeln und Hämmern. Nach und nach wurde der Schauplatz erkennbar: hohe schwarze Gebäude hier und da, lange Reihen von Werkstätten und Hallen, dazwischen überallhin abzweigende Schmalspurgleise, auf dem Boden graue Schlacke und am Himmel ein Meer von wogendem schwarzen Rauch. Die eine Seite des Geländes begrenzte ein Verladebahnhof mit einem Dutzend Schienensträngen und die andere Seite der See mit den Anlegestellen für Frachtdampfer.
Jurgis hatte Zeit genug, sich umzuschauen und Betrachtungen anzustellen, denn es dauerte zwei Stunden, ehe er gerufen wurde. Er ging ins Verwaltungsgebäude, wo sich dann ein Zeitkontrolleur mit ihm unterhielt. Der Chef sei beschäftigt, sagte der Mann, aber er selbst werde versuchen, etwas für ihn zu finden. Er habe wohl noch nie in einem Stahlwerk gearbeitet? Doch er sei zu jeder Arbeit bereit, ja? Nun, dann wolle man mal schauen.
Sie begaben sich auf einen Rundgang, und was Jurgis dabei zu sehen bekam, ließ ihn von einem Staunen ins andere fallen. Er fragte sich, ob er sich wohl je daran gewöhnen könne, an so einem Ort zu arbeiten, wo die Luft von ohrenbetäubenden Donnerschlägen erbebte und von allen Seiten zugleich Warnsignale auf ihn einkreischten, wo Kleinlokomotiven auf ihn zugerast kamen und weißglühende Metallmassen zischend an ihm vorbeischossen, wo Explosionen von Feuer und sprühenden Funken ihn blendeten und ihm das Gesicht versengten. Die Männer hier waren alle schwarz vor Ruß, hohläugig und hager; sie werkten mit grimmigem Eifer, stürzten hierhin und dorthin, hoben niemals die Augen von der Arbeit. Jurgis heftete sich an seinen Führer, wie sich ein verängstigtes Kind an seine Amme klammert, und während der Kontrolleur einen Vorarbeiter nach dem anderen heranrief und ihn fragte, ob er Verwendung für noch eine ungelernte Kraft habe, sah Jurgis sich um und bekam immer größere Augen.
Er wurde zur Bessemer-Anlage gebracht, wo Stahlblöcke hergestellt wurden – einem Kuppelbau von den Ausmaßen eines großen Theaters. Jurgis stand dort, wo im Theater der Rang gewesen wäre, und unten, sozusagen auf der Bühne, sah er drei überdimensionale birnenförmige Kessel – so riesig, daß alle Teufel der Hölle darin ihren Sud hätten brauen können in denen etwas Weißes, Blendendes brodelte, spritzte und toste, als wären dort Vulkane am Ausbrechen; man mußte brüllen, um hier gehört zu werden. Flüssiges Feuer schwappte aus diesen Kesseln und zerplatzte unten wie Bomben – aber die Leute, die dort arbeiteten, schienen so sorglos, daß Jurgis vor Schrecken der Atem stockte. Dann ertönte ein Pfiff, und oben, gewissermaßen auf dem Schnürboden des Theaters, kam eine kleine Lok mit einer Ladung angedampft, die für einen der Kessel bestimmt war; gleich darauf pfiff es abermals, unten auf der Bühne fuhr rückwärts ein zweiter Zug heran – und plötzlich, ohne jede Vorwarnung, neigte sich eine der Mammutbirnen, kippte ganz nach vorn, und heraus schoß eine lange, breite und laut zischende Stichflamme! Entsetzt wich Jurgis zurück, denn er hielt das für einen Unfall. Eine weiße Feuersäule stürzte herab, blendend wie die Sonne und mit einem Rauschen, wie wenn im Wald ein Baumriese gefällt wird. Funken stoben durch die ganze Länge des Gebäudes und verhüllten alles dem Blick. Durch die Finger der schützend vorgehaltenen Hand sah Jurgis, wie dem Kessel ein Sturzbach aus loderndem Feuer entströmte, von einem unirdischen Weiß, das in den Augen schmerzte. Über dem Strom leuchteten strahlende Regenbogen, um ihn herum tanzten blaue, rote und goldene Lichter, er selber aber war unbeschreiblich weiß. Aus Wunderwelten kam er geflutet, der Strom des Lebens selbst, und bei seinem Anblick tat die Seele einen Sprung und floh auf ihm davon, rasch und unaufhaltsam, zurück in ferne Lande, wo Schönheit und Schauder wohnen. Dann kippte der gigantische Kessel, nun leer, wieder in die Normallage, und Jurgis sah zu seiner Erleichterung, daß niemand verletzt worden war. Er drehte sich um und folgte seinem Führer hinaus ins Tageslicht.
Sie gingen zwischen den Hochöfen hindurch und kamen zu den Walzstraßen, wo Stahlblöcke hin- und hergeschoben und zerschnitten wurden, als wären sie butterweich. Überall ringsum, vor, hinter, neben und über einem wirbelten riesige Maschinenarme durch die Luft, drehten sich riesige Räder,
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