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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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dessen Farbe spielte jetzt im Licht des Sonnenuntergangs ins Braune, Graue und Violette. Alles Schmutzige des Ortes war verschwunden – im Zwielicht wurde er zu einem Bild von Macht und Stärke. Den beiden, die da standen und zusahen, wie die Dunkelheit ihn einhüllte, erschien er ein Wundertraum, der von menschlicher Tatkraft und großartigen Leistungen erzählte, von Beschäftigung für Tausende und aber Tausende, von Chancen und Freiheit, von Leben, Liebe und Freude. Als sie Arm in Arm zurückspazierten, sagte Jurgis: »Morgen geh ich da hin und besorge mir Arbeit!«

3
    Als Ladenbesitzer kannte Jokubas Szedvilas viele Leute, darunter auch einen der Werkpolizisten von Durham, denen häufig aufgetragen wurde, einstellungsgeeignete Arbeiter auszusuchen. Jokubas erklärte, er habe es zwar noch nie probiert, aber er sei sicher, über diesen Mann einigen seiner Freunde Arbeit verschaffen zu können. Nach Beratung kamen sie überein, daß er es mit dem alten Antanas und mit Jonas versuchen solle. Jurgis vertraute darauf, ohne fremde Hilfe eine Stelle zu finden.
    Wie wir bereits wissen, täuschte er sich darin nicht. Er war zu Brown gegangen und hatte dort erst eine halbe Stunde gestanden, als auch schon einer der Meister seine die anderen überragende Hünengestalt bemerkte und ihn heranwinkte. Die darauf folgende Unterhaltung war kurz und sachlich:
    »Sprichst Englisch?«
    »Nein. Li-tau-isch.« Jurgis hatte sich dieses Wort sorgsam einstudiert.
    »Suchst Arbeit?«
    »Je.« Nicken.
    »Schon hier gearbeitet?«
    »Nix verstehn.«
    Zeichen und Gesten seitens des Meisters.
    Heftiges Kopfschütteln von Jurgis.
    »Kutteln kehren?«
    »Nix verstehn.« Weiteres Kopfschütteln.
    »Zarnos, Pagaiksztis. Szluota!« Vorführende Bewegungen.
    »Je.«
    »Siehst die Tür da? Durys?« Hinzeigen.
    »Je.«
    »Morgen früh, sieben Uhr. Verstehst? Rytoi! Prieszpietis! Septyni!«
    »Dekui, tamasti!« (»Danke, Euer Wohlgeboren!«)
    Das war’s schon. Jurgis wandte sich zum Gehen, und da erst durchwallte es ihn heiß, ging ihm plötzlich auf, daß er es geschafft hatte. Er stieß einen Freudenschrei aus, machte einen Luftsprung und begann zu rennen. Er hatte Arbeit! Er hatte Arbeit! Den ganzen Weg heim lief er, als trügen ihn Flügel, und er stürmte wie ein Wirbelwind ins Haus, sehr zur Empörung zahlreicher Schlafburschen aus der Nachtschicht, die gerade erst zu Bett gegangen waren.
    Inzwischen war Jokubas bei dem Werkpolizisten gewesen. Der hatte sich nicht ablehnend gezeigt und gesagt, er wolle sehen, was sich tun läßt. So waren nun alle glücklich, und da sich heute sonst nichts mehr unternehmen ließ, übergab Jokubas den Laden der Obhut von Lucija und zog mit seinen Freunden los, um ihnen die Sehenswürdigkeiten von Packingtown zu zeigen. Er tat das mit der Pose eines Landedelmannes, der Gäste auf seinem Besitz herumführt; er zählte ja schon zu den Eingesessenen, hatte all diese Wunder entstehen sehen und war persönlich stolz auf sie. Mochte der Grund und Boden auch den Fabrikanten gehören, die Landschaft nahm er für sich in Anspruch, und die machte ihm niemand streitig.
     
    Sie gingen die belebte Straße hinunter, die zu den Yards führte. Es war noch früher Vormittag, und überall herrschte morgendliche Aktivität. Durch das Tor ergoß sich ein nicht abreißender Strom von hier Beschäftigten – zu dieser Stunde keine Arbeiter, sondern Angestellte, wie Kontoristen, Stenographinnen und dergleichen. Für die Frauen standen zwei große zweispännige Wagen bereit, und sobald sie besetzt waren, preschten sie davon. In der Ferne konnte man wieder das Muhen der Rinder vernehmen; es klang wie Meeresrauschen. Diesmal gingen sie ihm nach, aufgeregt wie Kinder, die im Zirkus zur Tierschau wollen – und damit hatte das, was sie dann sahen, tatsächlich einige Ähnlichkeit. Sie überquerten die Bahngleise, und drüben kamen sie schließlich zu den sich auf beiden Seiten der Straße hinziehenden Pferchen voller Rinder. Sie wären gern stehengeblieben, um sie sich näher anzuschauen, aber Jokubas drängte sie weiter zu einer Treppe, die auf eine Galerie führte, von wo aus man alles überblicken konnte. Hier standen sie und schauten; vor Staunen gingen ihnen die Augen über und stockte ihnen der Atem.
    Die Yards dehnen sich über eine Fläche von mehr als einer Quadratmeile aus, und über die Hälfte davon nehmen Rinderpferche ein; nach Norden und Süden erstreckt sich, so weit das Auge reicht, ein einziges Meer von Pferchen, Buchten

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