Der Dschungel
und Boxen. Und die waren jetzt alle voll – nie hätte man gedacht, daß es so viele Rinder überhaupt gab. Rote Rinder, schwarze, weiße und gelbe Rinder, einfarbig und gefleckt; alte Rinder und junge Rinder; große brüllende Bullen und noch keine Stunde alte Kälbchen; sanftäugige Milchkühe und wilde Texas-Jungochsen mit langen Hörnern. Ihr Brüllen klang so, als käme es von sämtlichen Kuhställen und Rinderkoppeln der Welt zusammengenommen, und ihre Zahl – man hätte den ganzen Tag dazu gebraucht, auch nur die Pferche zu zählen. Zwischen diesen liefen lange Gassen entlang, die in Abständen durch Gattertore gesperrt waren, und Jokubas sagte, von diesen Toren gebe es fünfundzwanzigtausend. Er hatte vor kurzem einen Zeitungsartikel voller Statistiken dieser Art gelesen, und er war sehr stolz, als er sie jetzt wiederholte und seine Zuhörer mit einem Ausruf des Staunens reagierten. Auch Jurgis verspürte schon ein wenig vom gleichen Stolz. Hatte er nicht soeben hier Arbeit bekommen und war somit zum Beteiligten an dieser Aktivität, zu einem Rädchen in dieser wundervollen Maschine geworden?
Durch die Gassen kamen ab und zu Männer geritten, die Schaftstiefel trugen und lange Peitschen schwangen; sie wirkten sehr geschäftig, riefen einander und den Treibern laut Anweisungen zu. Es waren Groß-Rancher und Viehhändler, gekommen aus fernen Landesteilen, sowie Makler, Kommissionäre und Einkäufer für die großen Fleischfabriken. Hier und da hielten sie an und beschauten sich einen Posten Rinder. Danach begann das Handeln, zügig und ohne großes Palaver. Nickte der Käufer oder senkte er seine Peitsche, bedeutete das einen Abschluß, und er trug diesen in sein Büchlein ein, hinzu zu den hundert anderen, die er heute morgen schon getätigt hatte. Dann zeigte Jokubas den Platz, wohin die Rinder zum Wiegen getrieben wurden – auf einer riesigen Waage, die hunderttausend Pfund tragen konnte und das Gewicht automatisch angab. Sie standen in der Nähe des östlichen Eingangs, und die ganze Ostseite der Yards entlang laufen die Bahngleise, auf denen die Schlachttiere herangebracht werden. Die Nacht hindurch wären ununterbrochen Viehwagen gekommen, erklärte Jokubas, und jetzt seien die Pferche voll; am Abend würden sie sämtlich wieder leer sein, und dann gehe das Ganze von neuem los.
»Und was geschieht mit diesen vielen Geschöpfen?« rief Teta Elzbieta.
»Bis heute abend sind die alle geschlachtet, ausgenommen und zerteilt«, antwortete Jokubas. »Dort drüben hinter den Fleischfabriken befinden sich noch mehr Gleise. Die sind zum Abtransport.« In den Yards gebe es zweihundertfünfzig Meilen Eisenbahnschienen, berichtete ihr Führer weiter. Auf ihnen kämen jeden Tag rund zehntausend Rinder angerollt, die gleiche Anzahl Schweine und halb so viele Schafe – das bedeute, daß hier im Jahr acht bis zehn Millionen Lebendtiere zu Fleisch verarbeitet werden.
Während man so stand und schaute, erkannte man allmählich, wohin die Flut ging, nämlich in Richtung Fleischfabriken. Gruppenweise wurden die Rinder auf die Rampen getrieben, etwa fünf Meter breiten massiven Stegen, die über den Pferchen entlangliefen. Auf diesen Rampen zog ein nicht abreißender Strom von Tieren dahin; es war geradezu unheimlich mit anzusehen, wie sie ahnungslos ihrem Schicksal entgegendrängten, ein wahrer Todeszug. Unsere Freunde waren nicht poetisch veranlagt, und der Anblick bewog sie nicht zu Vergleichen mit dem Menschenlos; sie dachten nur daran, wie großartig das alles organisiert sei. Die Rampen für die Schweine führten weit hinauf, bis zu den obersten Stockwerken von Gebäuden im Hintergrund, und Jokubas erklärte, für den Transport der Schweine nutze man deren eigene Kraft: für den hinauf ihre Muskelkraft und für den wieder herunter – durch all die für ihre Umwandlung in Büchsenfleisch nötigen Verarbeitungsprozesse hindurch – ihre Schwerkraft.
»Hier wird überhaupt nichts ungenutzt gelassen«, sagte er, lachte und fügte ein Witzchen hinzu, von dem, wie er zu seiner Freude merkte, die anderen in ihrem schlichten Gemüt annahmen, es stamme von ihm: »Vom Schwein bleibt absolut nichts unverwertet – bloß für das Quieken hat man noch keine Verwendung gefunden.« Vor der Hauptverwaltung von Brown gibt es einen winzigen Flecken Rasen, und so wie dies das einzige Grün in ganz Packingtown ist, so ist dieser zum Repertoire aller Fremdenführer gehörende Witz vom Schwein und seinem Quieken der einzige Funken
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