Der Dschunken Doktor
Sterbens ist gesichert … ich habe einen Erben. Den zweiten Teil suche ich mir noch im Puff von Madame Yo zusammen: den Mörder meiner Tochter und der vielen Mädchen mit dem lächelnden Gesicht. Üben wir uns in der erfolgreichsten Tugend Asiens: Warten!«
Der Butler Ling gab sich keine Mühe, seinen Auftrag zu verbergen.
Er erschien in einem kleinen Auto vor dem Queen Elizabeth Hospital, meldete sich an der Pforte und verlangte, beim Verwaltungschef des Hospitals vorgelassen zu werden. Das hätte man ihm sofort verweigert, wenn er nicht hinzugesetzt hätte: »Ich komme von Mr. Dr. Merker.«
Er wurde sofort weitergereicht, kam in ein elegant ausgestattetes Verwaltungszimmer und stand einem Herrn im grauen Anzug gegenüber, der ihn kritisch musterte.
»Sie bringen von Dr. Merker eine Nachricht?« fragte der Verwaltungschef, als sich Ling stumm verneigte.
»Nein. Ich soll seine Koffer abholen.«
»So einfach geht das nicht!«
»Warum nicht? Das Kündigungsschreiben liegt doch vor.«
»Ich glaube nicht, daß Ihnen gegenüber Erklärungen abgegeben werden können«, sagte der Engländer steif und deutlich verletzend. Ein Chinese … ein Lakai … man läßt sich doch nicht seine Würde nehmen! »Wir haben mit Dr. Merker über seine Kündigung zu reden!«
»Herr Dr. Merker nicht.«
»Sind Sie ermächtigt, so etwas zu sagen?« fragte der Engländer kalt. »Ich nehme Erklärungen nur von Dr. Merker selbst entgegen.«
»Bitte.«
Ling zog einen Brief aus der Tasche und übergab ihn dem Verwaltungsdirektor. Es war eine Vollmacht für Ling, in Dr. Merkers Namen zu handeln. Der Engländer las den Brief und warf ihn auf den Schreibtisch.
»Wer sagt mir, daß die Unterschrift echt ist?« fragte er beleidigend.
»Sie können Schriftvergleiche anstellen.«
»Wollen Sie mir sagen, was ich zu tun habe?« Der Engländer reckte sich. »Ich erkenne die Kündigung ohne Diskussion über die Gründe nicht an.«
»Das ist Ihre Sache, Sir.« Ling blieb ruhig und höflich. »Ich soll nur die Koffer abholen.«
»Verweigert!« rief der Engländer geradezu empört.
»Ich nehme es zur Kenntnis. Ich werde mit der Polizei wiederkommen.«
»Was wollen Sie?« schrie der Direktor.
»Dr. Merker verlangt sein persönliches Eigentum, mehr nicht. Das kann man ihm nicht verweigern. Oder hat er Schulden? Mir wurde gesagt, das Hospital hätte Schulden bei ihm. Das letzte Monatsgehalt …«
»Ich betrachte es als unmöglich, weiter mit Ihnen zu reden!« Der Engländer winkte, als verjage er einen Moskito. »Holen Sie die Koffer! Das Gehalt bleibt gesperrt, solange der Vertragsbruch im Raum steht!«
Ling verbeugte sich wieder höflich und hörte beim Hinausgehen, wie der Direktor die Anweisung gab, die Koffer Dr. Merkers bereitzustellen. Er hörte nicht mehr, wie der Direktor den Hörer hinwarf, auf die geschlossene Tür starrte und hochmütig sagte: »Eine Schande, daß England die Kolonien freigibt. Diese Chinesen sollte man über die Grenze nach Rotchina jagen. Eine arrogante Bande …«
Über Dr. Merker zerbrach er sich weiter den Kopf. Wie konnte sich ein so fähiger Arzt von einem schlitzäugigen Weibsstück so einfangen lassen, daß er alles hinwarf? Eine andere Erklärung gab es für ihn nicht.
Ling wandte sich an den Pförtner, um zu erfragen, wie er an Dr. Merkers Koffer komme. Niemand kümmerte sich um ihn, und auch der Pförtner sagte nur: Zweite Etage, Zimmer 210 im Ärztehaus. Den Weg mußte sich Ling selbst suchen.
Die Koffer standen gepackt im Zimmer, daneben die Geräte, die Merker gehörten: ein Kofferradio, ein Plattenspieler, ein tragbares Fernsehgerät, zwei Spiegelreflexkameras mit Elektronenblitz, ein Foto in einem Silberrahmen, das seine Mutter und seinen Vater zeigte.
Ling löste das Foto aus dem Rahmen. Er nahm nur die Koffer und das Bild mit … alles andere ließ er zurück. Auf der Dschunke der großen Herrin war alles vorhanden, das war das eine. Zum zweiten wußte man nie, ob in den Geräten nicht wieder kleine Sender versteckt worden waren.
Unten vor dem Hospital verfrachtete er die Koffer in seinen kleinen Wagen und lächelte still vor sich hin. Zwei Beamte in Zivil, die wie Touristen aussahen, mit umgehängter Kamera und einem Stadtplan von Kowloon deutlich in der Hand, konnten ihn nicht täuschen. Auch den anderen Beobachter erkannte er … einen schmächtigen Chinesen, der mit einem spitzen Stock das Papier auf dem Rasen vor dem Hospital aufsammelte.
Als Ling anfuhr, sah er im Rückspiegel, wie
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