Der Dude und sein Zen Meister: Das Leben, die Liebe und wie man immer locker bleibt (German Edition)
»Bernie, kannst du die Worte nur unhörbar mit den Lippen formen, statt sie zu singen?« Seitdem ist irgendein Muskel gelähmt und du singst nicht mehr laut, nicht mal unter der Dusche. Und das war der Muskel, den wir nach Warrens Willen wieder lockern sollten: unser kreativer Muskel.
Am ersten Wochenende musste sich jeder allein vor die Klasse stellen und »On a Clear Day« singen, ein Lied, das einen unglaublich schönen Text hat, aber eine ziemlich schwierige Melodie. Auch ich sang, aber ich beobachtete auch die anderen dabei. Wir stellten uns also vorne hin und schmetterten mit vollem Einsatz, weil wir auf dem Präsentierteller standen, weil wir singen mussten. Und wenn du dich in einer solchen Situation befindest, ziehst du alle dir verfügbaren Register – sei es Selbstironie, Charme, Schüchternheit, was immer –, damit die Leute dich mögen. Da gibt es keine Zurückhaltung mehr.
Ich lernte, dass es nicht darum geht, eine Note zu hoch oder zu tief zu singen. Auch Sinatra sang zuweilen eine Note ein bisschen zu tief, wobei diese Unvollkommenheit seinen Sound nur noch kraftvoller machte. Es geht nicht um Perfektion, es geht um Authentizität.
Warren gab jedem von uns einen Song, der bei uns etwas zutage fördern sollte, was wir im Leben vermieden. Einer von uns war Banker, und der Song, den Warren ihn singen ließ, war: »What I Did for Love«. Es brach mir das Herz, Mann. Nervös trat der Typ nach vorn und sagte Dinge wie: Ich kann das nicht, ich bin kein Sänger; aber auf geht’s! Dann begann er ziemlich falsch zu singen, kämpfte mit sich, und dieses Ringen war so ungeheuer tapfer! Wir alle tun unser Bestes, ziehen sämtliche erfolgreichen und nicht so erfolgreichen Register, die uns zur Verfügung stehen, und wie das alles dann so deutlich zu sehen ist, das ist einmalig und schön.
Beim Film arbeitest du mit allen möglichen Schauspielern zusammen, von denen manche ganz schön ruppig oder nicht gerade leicht im Umgang sind. Aber das tun sie ja for love , »aus Liebe«, sprich umsonst, dafür werden sie nicht bezahlt. Das müssen sie schon bringen, um dabei zu sein, und es ist herrlich. Du betrachtest eine knorrige Eiche, und sie ist schön, weil sie ist, wie sie sein muss, nämlich knorrig. Sogar Leute, die sich mit dir anlegen oder aus irgendeinem Grund gegen dich sind: In allem, was wir tun und sind, liegt Schönheit, nicht wahr?
Um auf den Workshop zurückzukommen – mir fiel auf, dass mir neben anderen Dingen eines beim Singen in die Quere kam: meine Angst, wirklich richtig aufzudrehen. Die Songs, die Warren uns gab, waren Standards, große Show-Melodien. Am zweiten Wochenende kam auch meine Frau Sue mit, und wir machten eine wundervolle Übung. Man musste mit seinem Partner Händchen halten, einander in die Augen schauen und sich gegenseitig ansingen. Aufgabe der angesungenen Person war es, das Lied anzunehmen. Aufgabe des Sängers bzw. der Sängerin war es, dem Song größtmöglichen Ausdruck zu verleihen. Das Lied, das ich meiner Frau vorsingen sollte, war »Somewhere« aus West Side Story, dessen Text mit den Worten »There’s a place for us« beginnt. Diese Worte sind so umwerfend und so berührend, dass es, als ich quasi Fühlung mit ihnen aufnahm, zu viel für mich wurde; ich war wie gelähmt. Schließlich überließ ich mich ihnen einfach und schaffte es irgendwie, das Lied unterbrochen von Schluchzern und Tränen zu Ende zu singen.
Der Song, den Sue für mich sang, war »Someday my Prince Will Come«. Irgendwie gelang es ihr, ihren Song ein bisschen verständlicher zu intonieren, und ich erinnere mich an die Liebe, die ich in ihren Augen las. Starker Tobak, weißt du? Vielleicht sogar beängstigend.
BERNIE: Weil es Dinge in uns anrührt, vor denen wir Angst haben?
JEFF: Das Gefühl ist so intensiv, dass man ins Stocken gerät, fast, als ob es einem die Sicherung raushauen würde. Du kannst weder singen noch sprechen noch sonst was.
BERNIE: Als würde man auf einen Knoten im Holz stoßen?
JEFF: Ja, vielleicht. Als darstellender Künstler spürst du immer den Druck, weiterzumachen. Du hast nur diese bestimmte Zeitspanne, und wenn du nicht singst, verlierst du dein Publikum. Aber Warren gab uns diese Sicherheit, diesen Raum ohne zeitliche Begrenzung. Sodass man den Song wirklich auf sich wirken lassen und ihn spüren konnte. Wenn du einen Film drehst, muss sich der Schauspieler selbst diese innere Sicherheit verschaffen, aber ein Regisseur kann dich unterstützen,
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