Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
zu stecken und einen Angriff auf Blätterheim zu planen. Ihr seid als Spione gekommen. Ihr habt euer Volk verraten ebenso wie das der Elfen. Darauf steht nach den Gesetzen der Elfen der Tod.«
Dorn nahm das Urteil des Elfenlords ohne eine Regung hin. Aber Milo sah, wie Senetha den Stab ihres Vaters mit beiden Händen umklammerte, sodass sich ihre Fingerknöchel weiß verfärbten. Milo wusste nicht, was der Stab vermochte, aber er wusste, das wenn sie ihn benutzte, keiner von ihnen heil aus dieser Sache herauskäme. Er musste etwas unternehmen.
Da Halblinge sich weder stimmlich noch körperlich gut in den Vordergrund spielen konnten, trat Milo etwas vor und verneigte sich tief. »Hoher Lord der Elfen, bitte erlaubt mir, das Wort zu ergreifen.«
Iselaf Cheén nickte ihm zu. »Sprich, Halbling.«
Die Erlaubnis klang nicht gerade höflich, aber Milo wollte nicht schon aufgeben, bevor er begonnen hatte.
»Die Halblinge leben seit jeher in Frieden mit den Elfen. Wir haben immer die Gesetze der Waldbewohner respektiert. Ihr kennt unser Volk, und Ihr wisst, dass wir keinen Groll gegen die anderen Völker hegen. Wir haben in Streitigkeiten nie Partei ergriffen, waren aber stets bereit, unsere Hilfe anzubieten. Darum bin ich mir sicher, dass Ihr meinen Worten Glauben schenken werdet, wenn ich Euch sage, dass die Anschuldigungen gegen uns unbegründet und falsch sind. Der Grund unseres Besuches hat nichts mit einer Hinterlist zu tun, die wir zusammen mit den Zwergen ausgeheckt haben. Wir wollten einzig und allein zu den Weißrindenbäumen. Von einem geplanten Hinterhalt gegen die Elfen haben wir nichts gehört. Das Zusammentreffen mit den Zwergen war rein zufälliger Natur. Sie riefen um Hilfe, und wir gewährten sie ihnen.«
Der Elfenlord bedachte Milo mit einem finsteren Blick.
»Der Hain mit den Weißrindenbäumen wird von uns Elfen gemieden. Kein Waldbewohner darf ihn betreten«, erklärte er.
»Die Bäume waren den Elfen seit Anbeginn heilig«, sagte Milo. »Ihr habt Euch entschieden, die Bäume zu schützen, und im Gegenzug boten die Bäume Euch dafür ein Zuhause. Was ist mit den Weißrindenbäumen, dass sie diese Übereinkunft nicht verdienen?«
»Der Baum kann heilig sein, und dennoch sind seine Früchte giftig«, sagte Iselaf Cheén. »Und was dich betrifft, will ich nicht behaupten, dass deine Worte feige Lügen sind, aber wenn man ein gutes Stück Obst zu vielen anderen fauligen legt, wird es auch irgendwann verderben. Vielleicht sagst du die Wahrheit, vielleicht auch nicht. Fakt ist, dass ihr den Feinden der Elfen geholfen habt. Die Gemeinschaft soll entscheiden, was mit euch passiert.«
Der Elfenlord nahm abermals den Ast vom Altar, schritt hinüber zu einem der Männer, die sich im Kreis um ihn herum aufgebaut hatten, und überreichte den heiligen Zweig. Er wurde von Hand zu Hand gereicht, bis er nach wenigen Minuten wieder an den Elfenlord übergeben wurde. Er legte den Zweig zurück und richtete das Wort an die Elfen.
»Brüder und Schwestern, ich frage euch, sollen wir in Anbetracht der schweren Vergehen, die diese Besucher begangen haben, Milde walten lassen oder nicht? Helft mir, eine Entscheidung zu fällen.«
Nach und nach hoben die ersten Elfen ihre Köpfe und signalisierten so, dass sie sich entschieden hatten. Dann war es so weit, die Entscheidung war gefallen.
»Sprecht das Urteil«, verlangte Iselaf Cheén.
Wie auf Kommando traten die Elfen einen Schritt zurück zum Rand der Lichtung.
»Wir sind nicht gewillt, euch ohne Strafe davonkommen zu lassen«, erklärte der Elfenlord. »Die Gemeinschaft hat gesprochen und verlangt euren Tod. Dennoch haben wir den Anstand, einem Verurteilten seinen Wunsch zu erfüllen, wenn sein Volk seit vielen Jahren zu den guten Freuden der Elfen gehört hat. Du darfst den Hain der Weißrindenbäume betreten, junger Halbling. Deinen Freunden steht es frei, dich zu begleiten. Im Hain selbst soll euch kein Leid durch Elfenhand zugefügt werden, doch sobald du oder einer deiner beiden Menschenfreunde den Hain verlässt, werdet ihr gerichtet. Flüchtet euch in die geweihte Stätte oder sterbt hier und jetzt.«
Die Wahl fiel leicht. Der Hain war das Ziel ihrer Reise und versprach zumindest einen Aufschub des Urteils. Wenn Milo eins im Leben gelernt hatte, dann war es das, dass nur die Endgültigkeit der Tod der Hoffnung war.
Bevor die drei aber in ihr winziges Exil durften, bekamen sie von den Elfen noch ein Mahl der Gastfreundschaft. Es war weder eine herzliche
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