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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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oder dem Schwert wie ein Wahnsinniger Steine aus dem Boden gegraben. Er häufte sie um den Leichnam seiner Geliebten auf, bis dieser vollständig verdeckt war. Nicht ein Klagelaut drang aus seinem Mund. Nicht eine Träne rann über seine Wangen. Sein Gesicht war wie versteinert.
    Als er fertig war, rammte er sein Schwert in den Boden und hockte sich, eingehüllt in eine Decke, neben die Grabstätte.
    Milo befürchtete, die Elfen würden es nicht zulassen, dass er Senetha im Hain begrub, doch noch mehr hatte er Angst vor Dorn. So ließ er den Söldner seinen letzten Dienst für die Magierin verrichten und war heilfroh, dass die Elfen sie nur teilnahmslos beobachteten.
    Der Baum, der Senetha getötet hatte, schien Dorn vollkommen gleichgültig zu sein. Nur den Ast, der die junge Frau aufgespießt hatte, hatte er abgeschlagen. Vielleicht wusste er um die Natur der wunderlichen Pflanze.
    Milo jedenfalls hatte erkannt, um was für einen Baum es sich handelte. Jeder kleine Junge in Eichenblattstadt wuchs mit Geschichten über Nachteiben auf. Die Mütter und Großmütter erzählten sie ihren Enkeln, wenn sie diese davor warnen wollten, allzu weit in den Wald zu gehen. Die Nachteiben waren eine sonderbare Laune der Götter. Sie sahen aus wie abgestorbene Bäume, und im Grunde genommen waren sie das auch   – mit dem kleinen Unterschied, dass zu ihren Lebzeiten eine Dryade in ihnen gehaust hatte. Mit dem Tod des Baumes starb auch die Dryade. Jedoch beiNacht, wenn kein Mondlicht schien, erwachten sie erneut zum Leben. Aus Wut und Verzweiflung über ihren Tod griff der Geist der Dryade dann jedes Lebewesen an, das Schutz unter dem Baum suchte. Sobald es hell wurde, verschwand der Geist wieder, und die Nachteibe war wieder nichts weiter als ein toter Baum.
    Milo hatte ein schlechtes Gewissen. Er fühlte sich mitschuldig an Senethas Tod. Schließlich hatte er Dorn dazu geraten, sie in Ruhe zu lassen. Vielleicht hätten sie sich an diesem Abend doch versöhnt, und die Magierin hätte ihre Lagerstatt wieder in seiner Nähe aufgeschlagen. Dann wäre das alles nicht passiert, und Senetha wäre noch am Leben.
    Während Milo darüber nachdachte, wie es nun weitergehen sollte, und Dorn weiterhin in stumme Trauer versunken war, brach plötzlich die Hölle los.
    Über den Wald toste aus heiterem Himmel ein Sturm hinweg. Blätter wehten über die Lichtung, und von den Bäumen regnete es kleine vertrocknete Zweige, die das Unwetter aus dem Geäst herausriss. Die Elfen klammerten sich hoch oben in den Bäumen fest oder zogen sich in ihre Behausungen zurück. Die freihängenden Brücken schwangen hin und her; die Seile drohten zu zerreißen.
    Milo sah, wie unweit von ihm, neben dem Stamm eines Seelenbaumes, Grassoden und Moos explosionsartig in die Luft geschleudert wurden. Zurück blieb ein kreisrundes Loch im Boden. Ein tiefes dröhnendes Pfeifen, das nicht enden wollte, übertönte den Sturm. Selbst das Signalhorn der Elfen wurde ausgelöscht, der Klang vom Sturm davongetragen.
    Die ersten Funken stoben in die Höhe, dort, wo eben die Grassoden explodiert waren. Immer mehr wurden mit Rauch und Asche aus dem Erdloch geschleudert. Die Luft darüber begann zu flimmern. Die unteren Äste des am nächsten stehenden Seelenbaumes fingen Feuer. Die ersten Pfeile der Elfen flogen und bohrten sich tief in den Boden rund um die funkensprühende Quelle. Doch vom Feind fehlte jede Spur.
    Milo entdeckte ein weiteres Loch, nicht weit entfernt im Osten.Es schien denselben Ursprung zu haben. Es erinnerte Milo an einen mit Tabak gefüllten und glühenden Pfeifenkopf, durch den man seinen Atem blies. Je weiter sich die Glut durch dem Boden fraß, desto mehr Funken und Flammen schossen in die Höhe. Der brennende Torf entwickelte einen dichten weißen Qualm, der sich zwischen den Bäumen verfing. Milo kannte den leicht beißenden Geruch. In langen kalten Wintern, wenn das Brennholz knapp wurde, heizte sein Vater mit getrockneten Torfziegeln. Nach und nach verschwanden die Baumkronen hinter dem Schleier. Milo spürte die Hitze der Glut in seinem Gesicht.
    Wenn es eine Möglichkeit zur Flucht gab, dann war sie jetzt gekommen. Doch allein würde Milo es nicht schaffen. Selbst wenn er unbeschadet aus dem Elfenwald herauskäme, das Moor würde er ohne fremde Hilfe niemals durchqueren können. Er musste Dorn dazu bewegen, ihn zu begleiten.
    Milo rannte hinüber zu dem Weißrindenbaum, unter dem das Grab von Senetha lag. Dorn hockte immer noch teilnahmslos daneben

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