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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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interessiert war, freie Sicht auf die anderen Ratsmitglieder zu bekommen. Auf jeden Fall griff er nach dem Stoff und zupfte zaghaft daran herum.
    »Nein, nein, das seht ihr verkehrt. So habe ich das nicht gemeint«, stammelte Gindawell mehr zu sich selbst.
    »Na, worum geht es bitte schön dann?«, kreischte Vanilla quer über den Tisch, während Bons immer noch versuchte, sich ein freies Blickfeld zu verschaffen.
    »Es geht darum, dass irgendjemand oder irgendetwas in dieser Stadt es schafft, dass wir uns wegen Nichtigkeiten an die Gurgel gehen.«
    »Dann schau in den Spiegel, du Taufbeckenbader, dann weißt du, nach wem du suchen musst«, kreischte Frau Vanilla.
    In diesem Moment wurde Bürgermeister Butterblums von einem Kirschkern im Gesicht getroffen. Instinktiv krallte er sich an die Bluse seiner Tischnachbarin, um Halt zu finden.
    Mit der Eleganz eines Tanzbärs und der Energie einer Rachegöttin wirbelte Vanilla Grünblatt herum und schrie den Bürgermeister an: »Du fettes Schwein, hör endlich auf, mich zu begrapschen.«
    Bons Butterblums sank eingeschüchtert zurück auf seinen Stuhl.
    Als Vanilla sich wieder den anderen Ratsmitgliedern zudrehte, erwartete sie die schallende Ohrfeige von Meister Gindawell. Noch bevor die roten Fingerabdrücke auf ihrer Wange die endgültige Färbung angenommen hatten, zog Vanilla Grünblatt eine silberne Haarforke aus ihrer Tasche und rammte sie in den Tisch. Mit wutentbranntem Gesicht blickte sie in die Runde und stellte fest, dass die Augen nicht auf ihr ruhten. Zögerlich folgte sie den Blicken der Anwesenden über die hölzerne Tischplatte. Ihre Haarforke hatte sich durch Meister Gindawells Handrücken gebohrt und nagelte ihn an dem Tisch fest. Als sich ihre Blicke trafen, packte der Kleriker mit seiner freien Hand, ohne einen Klagelaut oder sonst etwas von sich zu geben, Vanilla an der Kehle und drückte zu. Joos Findlings war der Erste, der seine Fassung wiedererlangteund unverzüglich zu murmeln begann. Noch bevor der Zauberspruch eine Wirkung zeigen konnte, zog Tilmo Rindenstolz einen silbernen Dolch mit Ebenholzgriff aus seinem Gürtel und rammte ihn dem Zauberer in den Bauch. Mit vor Entsetzen starren Augen sackte Joos auf seinem Stuhl zusammen.
    Bons Butterblums zog sich am Kleid von Frau Grünblatt hoch, um sich in Sicherheit zu bringen, als er von der wild um sich schlagenden Tuchverkäuferin, die versuchte, dem Würgegriff ihres Gegenüber zu entkommen, mit dem Ellenbogen im Gesicht getroffen wurde. Vom Schlag betäubt, kippte der Bürgermeister nach hinten über. Sein Gewicht ließ den Stuhl unter ihm zusammenbrechen, und sein Genick schlug mit einem knackenden Geräusch auf die Rückenlehne.
    Im selben Moment stürzte sich Jeroll Butterblums auf Tilmo Rindenstolz und nahm ihn in den Schwitzkasten. Mit aller Kraft drückte er den Kopf von Tilmo auf die Tischplatte und schlug ihn in gleichmäßigem Rhythmus immer wieder auf die Kante. Der blitzende Dolch tauchte in Jerolls Rücken auf und fuhr kurz hintereinander mehrfach zwischen seine Rippen. Butterblums drosch ungeachtet der Stiche weiter auf Tilmo ein, bis dessen Arm kraftlos zur Seite fiel und der Dolch sich aus seinen Fingern löste. Dann brach auch Jeroll zusammen und blieb regungslos über den Tisch gebeugt auf seinem Peiniger liegen. Joos Findlings versuchte, sich ein letztes Mal aufzubäumen, doch seine Kraft reichte nur aus, seinen Arm durchzustrecken, als sich aus seinen Fingerspitzen ein gleißender Blitzstrahl löste und seine Gabelungen gleichmäßig über die Ratsmitglieder verteilte.
    Es dauerte einige Zeit, bis Milos Augen sich von dem gleißenden Licht erholt hatten. Doch trotz seiner Gebete, dass es sich bei dem Geschehenen um einen Tagtraum handeln mochte, starrte er abermals fassungslos auf den verwüsteten Tisch mit den regungslos daliegenden Ratsmitgliedern.
    Seine Augen zeichneten noch hier und da kleine schwarze Flecken in die Szenerie, die sich fast wie beabsichtigt auf die Gesichter der Toten legten. Sein Mund stand nach wie vor offen, und seine Lippen fühlten sich spröde an. Die hechelnde Atmung ließ seinen Rachen austrocknen, und sein Herz raste. Milos Finger waren taub und seine Füße eiskalt.
    Langsam und mit kleinen schlurfenden Schritten, die niemals den Kontakt zum Boden verloren, ging er auf seinen Meister zu. Gindawell kauerte zusammengesackt auf den Knien vor seinem Stuhl, eine Hand am Tisch festgenagelt, die andere noch immer an der Kehle von Vanilla

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