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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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den Aufstieg.
    Die Treppe war ein Meisterwerk der Folterkunst für jede Haushälterin. Wenn Meister Othman von ihr wusste, hatte er ihr nur zum Schutz nichts davon gesagt. Rubinia sah sich schon, miteinem kleinen Besen und einer Schaufel bewaffnet, die Stufen fegen. Früh morgens würde sie anfangen, um spät abends müde und erschöpft mit zwei schweren Eimern Schmutz wieder hinaufzusteigen.
    Mit einigen kleinen Verschnaufpausen hatte es mehr als drei Stunden gedauert, bevor Rubinia das Ende der Treppe vor sich sah. Sie war eine Meisterin darin, die Zeit einzuschätzen. Aber anstatt sich vor einer Tür wiederzufinden, starrte sie auf eine glatte, vergilbte weiße Fläche. Vorsichtig drückte sie dagegen. Die Fläche gab nach wie ein mit Leder bespannter Rahmen. Sie zog ihre Hand zurück, suchte nach einem Mechanismus und fand zwei kleine Haken an der Seite. Den einen konnte sie mühelos öffnen, der andere lag zu weit oben. Sie drückte gegen die untere Ecke und konnte den Rahmen ein Stück aufbiegen. Als sie etwas mehr Kraft aufwandte, riss der obere Haken aus dem Holz, und der Rahmen schwang auf.
    Sie blickte in die Eingangshalle des Krähenturms. Alles wirkte ruhig und so, wie sie es verlassen hatte. Vorsichtig schlich sie aus dem Treppengang und betrachtete die andere Seite der geheimen Tür. Es war das Gemälde mit dem Turm von Asbin, der Magierschule von Lonnas, hinter dem sich der Gang befand.
    »Meister Othman, seid Ihr hier?«, rief Rubinia.
    Im Stockwerk über ihr fiel etwas zu Boden und zersplitterte. Es hörte sich an wie eine der vielen Vasen, die sie überall im Haus auf Anrichten oder Wandnischen verteilt hatte und die Meister Othman gern für die Überreste seiner misslungenen Experimente missbrauchte. Die Tür zur Bibliothek im ersten Stock wurde aufgerissen, und das Geräusch von eilig schlurfenden Schritten hallte die Treppe herunter.
    »Rubinia, was machst du hier? Wie bist du hierhergekommen?«, rief Meister Othman. »Der Wald ist voller Grünbluter, die den Turm belagern. Hast du die Eichenblattstädter nicht in die Schlucht geführt, wie ich dich gebeten habe? Du hattest Glück, dass sie dich nicht erwischt haben.«
    Es musste nach dem Stand der Sonne schon später Nachmittag sein, wie Rubinia durch die vergitterten Fenster im ersten Stock erkennen konnte, und der Magier lief immer noch im Morgenrock durchs Haus. Seine Haare waren wild und zerzaust, sein Gesicht vor Aufregung ganz rot.
    »Ich bin durch den geheimen Gang gekommen, der von der Krähenschlucht hier heraufführt. Wusstet ihr davon?«
    Der Magier besah sich das Bild, das von der Wand abgeklappt war, als er die letzten Stufen der Treppe heruntereilte. Ungläubig starrte er auf die brennenden Kerzen, die den Geheimgang beleuchteten.
    »Aschgrau, komm sofort her!«, brüllte Othman.

43. MILO
    Der Gefängniswagen rollte quälend langsam durchs Unterholz, zwischen mannshohen Farnen hindurch und über dorniges Gestrüpp hinweg. Der Troll war unnachgiebig. Er ließ die Orks den Wagen ziehen und half ihnen nur, wenn sie es in dem unwegsamen Gelände partout nicht schafften.
    »An diese Art zu reisen könnte ich mich gewöhnen«, sagte Milo halblaut zu Dorn und Nelf. »Das könnte ein lukratives Geschäft für die Grünbluter sein. Ich kenne eine Menge Leute, die es vorziehen würden, in einem Wagen durch die Gegend gezogen zu werden, als auf dem Rücken eines Ponys zu reisen oder sich die Füße wund zu laufen.«
    Dorn verzog das Gesicht.
    »Ich meine ja nur«, erklärte Milo. »Immerhin besser, als fahrende Händler zu überfallen in der Hoffnung, etwas Brauchbares zu finden.«
    Dorn beugte sich nach vorn und wies Milo mit einer Handbewegung an, dies ebenfalls zu tun.
    »Glaube mir, wenn ich dir sage, dass die Ohren der Orks wesentlich besser funktionieren als ihr Verstand«, flüsterte Dorn. »Du solltest bei deinen Äußerungen besser daran denken, dass diese Fahrt irgendwann ein Ende hat. Wenn es so weit ist, wird sich die Tür bestimmt öffnen, und dann werden drei übellaunige Orks sich daran erinnern, wem sie diese ganze Plackerei und den Spott zu verdanken haben. Nun rate mal, an wem sie ihren Frust abbauen werden   – an dem riesigen Troll, der ihnen mehrfach überlegen ist, oder an einem drei Fuß großen Halbling?«
    »Ihr Gehör sollte auch schärfer sein als ihr Verstand«, flüsterte Milo zurück. »Ansonsten wären sie taub. Jedenfalls haben die Völker von Hadar nie irgendwelche großen Priester oder

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