Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Zaubererhervorgebracht, das muss einen Grund haben. Auf jeden Fall erkenne ich die Gegend hier wieder. Wenn mich nicht alles täuscht, halten wir genau auf den Krähenturm zu. Was nur bestätigt, dass sie nicht ganz bei Trost sein können. Meister Othman, ein mächtiger Magier, lebt dort. Ich kenne ihn gut. Er ist ein Freund der Halblinge. Wenn ich mich recht entsinne, hat er auch nichts für Grünbluter übrig. Wenn die Orks Glück haben, verwandelt er sie nur in Kröten. Wenn nicht, sollten wir uns besser schon mal von ihnen verabschieden.«
Milo zwinkerte Dorn zu.
»Du erhoffst dir aber viel von deinem einsiedlerischen und wahrscheinlich greisenhaften Magier«, grunzte Dorn. »Wahrscheinlich sitzt er zitternd hinter einem Fenster, während du ihm fröhlich von unten zuwinkst und ihn um Hilfe bittest.«
»Du scheinst da etwas zu verwechseln«, erwiderte Milo. »Söldner werden irgendwann altersschwach. Magier werden mit den Jahren nur mächtiger.«
»Das stimmt«, ließ Nelf sich nun hören. »Ich habe von einem Magier gehört, der ist mehr als hundert Jahre alt, aber seine Zauber helfen ihm über die Gebrechen hinweg. Er soll immer noch stark und schnell sein wie ein junger Mann. Seine Sehkraft ist die eines Adlers, und er kann hören wie ein Feldhase.«
Dorn spuckte zwischen den Gitterstäben hindurch. »Na toll, dann wird er sich eben gesund fühlen, bis er plötzlich tot umkippt. Mit Zauberei kann man nicht jedes Unheil abwenden. Senetha …« Er beendete den Satz nicht und starrte traurig auf die vorüberziehenden Farne. Ein bedrückendes Schweigen machte sich breit.
Nelf krallte sich an einen verdreckten Leinenbeutel, aus dem er eine kleine geschnitzte Meerschaumpfeife hervorzog und diese traurig betrachtete.
Milo dachte an seinen Bruder. Bonne hatte sich in der Vergangenheit immer auf ihn verlassen können. Egal, was sie angestellt hatten, Milo war immer ein Ausweg eingefallen. Bis jetzt jedenfalls. Alle Mutproben, jeder Unsinn und jede noch so verrückte Wette hatten sie gemeinsam gemeistert. Doch bei der vielleicht wichtigsten Herausforderung ihres Lebens hatte Milo seinen Bruder im Stich gelassen. Er hoffte, dass Bonne sich diesmal selbst zu helfen wusste und einen Ausweg gefunden hatte. Ein wenig Hoffnung und Zuversicht brachte der Fluch von Xumita. Wenn der Zauber des Grünbluters immer noch seine Wirkung tat, konnte das nur bedeuten, dass sein Bruder noch am Leben war.
Milos sentimentale Gedanken wurden jäh unterbrochen, als der Trollkrieger von einer leicht erhöhten Böschung auf das Dach des Käfigwagens sprang. Der Wagen drohte zu kippen, als der mächtige Grünbluter sich in die Gitterstäbe krallte. Milo fuhr erschrocken hoch. Er sah in das düster grinsende Gesicht des Trolls.
»Jetzt sind wir bald da«, grunzte er. »Freut ihr euch?«
»Nicht mehr als die Orks«, gestand Milo und zeigte auf das Gespann von Grünblutern, die gezwungen waren, nun auch noch das Gewicht ihres Anführers zusätzlich zu dem des Wagens durch das unwegsame Gelände zu ziehen.
Der Troll warf einen Blick auf seine schnaubenden Untergebenen. »Man muss sie immer beschäftigt halten, sonst kommen sie auf dumme Gedanken und fangen an, ihren Frust an anderen auszulassen.«
Milo war fast gerührt von so viel Fürsorge gegenüber ihm und seinen Mitgefangenen, wären da nicht das geifernde Maul mit den braunen Zahnstümpfen und die bösartig gelb funkelnden Augen über ihm gewesen.
»Wenn wir das Lager erreichen, werde ich euch General Schrak übergeben«, verriet der Troll. »Er wird entscheiden, was mit euch passiert. Entweder gibt er etwas auf das Wort der Rotbluter, oder wir haben viel Zeit und Kraft verschwendet, um etwas Proviant ins Lager zu bringen.«
Das erste Mal in seinem Leben klang das Wort Rotbluter für Milo wie ein Kompliment. Er hoffte, dass dieser Schrak ihm seine Geschichte abkaufen würde oder ihm zumindest nicht daran gelegen war, Xumita Latorinsis zu verärgern. Alles war besser, als über einem Feuer geröstete und anschließend in kleine Portionen aufgeteilt zu werden.
Einhergehend mit diesem Gedanken stieg Milo der Geruch von versengtem Haar und verbranntem Fleisch in die Nase. Er wusste diesen Gestank dank der Erzählungen von Meister Gindawell schnell einzuordnen. Der Priester hatte ihm über die Essgewohnheiten der Grünbluter aufgeklärt. Orks, Goblins und Trolle pflegten ihre Beute über einem Feuer zu rösten, ohne sie von Fell, Hufen, Kopf und Innereien zu befreien, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher