Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
sie nicht gleich roh verschlangen. Unvorstellbar für einen Halbling. Eine Mahlzeit wollte zelebriert werden. Es musste sich um ein großes Stück Wild handeln, das auf so unappetitliche Weise zubereitet wurde, da der Gestank von verbranntem Fell alles überdeckte, dachte Milo, ein Damwild vielleicht oder irgendein Reittier. Auf jeden Fall war es etwas, das mehr Haar besaß als ein Mensch oder Halbling, und sogar mehr als ein Zw… Milo verwarf den Gedanken schnell wieder. Es war abscheulich und bestialisch, genau wie der stärker werdende Gestank.
Nelf war ähnlich angewidert und hielt sich die Nase zu. Nur Dorn schien es nichts auszumachen. Der Söldner saß da, die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf weit in den Nacken gebeugt und die Augen zu zwei schmalen Schlitzen verengt. Milo hätte wetten können, dass dem Kämpfer das Wasser im Mund zusammenlief.
»Was meinst du, Dorn, ist das Pferd?«
»Keine Ahnung«, grunzte der Söldner, »aber ich hoffe, dass sie uns ein Stück als Henkersmahlzeit überlassen.«
»Es ist überhaupt nicht gesagt, dass sie uns umbringen«, mischte sich Nelf ein.
»Das wäre aber schlecht«, sagte Dorn, »denn in dem Fall würden wir sicherlich nichts zu essen bekommen. Das Einzige, was einem die Grünbluter nämlich nicht verwehren, ist ein gefüllter Wanst, bevor sie einen über ihren Feuern grillen. Für sie ist es so etwas wie eine Investition in die Zukunft, ihr versteht?«
Milo wollte das alles gar nicht wissen. Noch vor wenigen Wochen hatte er ein ruhiges und bequemes Leben in Eichenblattstadt geführt, ohne Verantwortung, und nun musste er sich darüber Gedanken machen, ob jeder Bissen, den er zu sich nahm, nur dazu diente, ihn zu mästen. Außerdem lag das Leben seines Bruders in seinen Händen, und das neue Wissen um die Götter warf mehr Fragen auf, als es Antworten lieferte.
Die Orks asteten den Wagen einen Hang hinauf, und der Troll ließ sich dazu herab, von hinten zu schieben. Noch bevor sie über die Kuppe hinweg waren, sah Milo die Rauchsäulen, die sich kräuselnd zwischen den Bäumen in die Höhe schraubten. Rund ein halbes Dutzend Feuer brannte zwischen den Stämmen der majestätischen Buchen und Eichen. Die vordere Achse des Gefängniswagens schob sich ächzend über die Böschung. Die Unterseite des Bodens scheuerte über losen Sand und Wurzelwerk wie ein Schiff, das nahe der Küste auf Grund lief. Mit einem Ruck kam der Wagen wieder frei und neigte sich abwärts. Die Orks zogen kräftig und freuten sich über das leichte Vorankommen. Dann wurde es noch leichter, als der Wagen von allein rollte. Einen Augenblick später hatten Milo, Nelf und Dorn die Grünbluter eingeholt, und noch einen Augenblick später waren sie an ihnen vorübergezogen. Der Gefängniswagen raste führerlos mit seinen Insassen den Hang hinunter geradewegs in das Lager der Grünbluter.
Um jedes Feuer hatte sich gut ein Dutzend Orks, Trolle oder Goblins versammelt und röstete, was immer ihre Jagd ihnen beschert hatte. Milo stellte zu seiner Erleichterung fest, dass jede Mahlzeit zumindest vier Beine besaß. Auch die lagernden Grünbluter hatten sie inzwischen entdeckt. Unter dem Johlen und Brüllen der Orks holperte der Wagen weiter den Hang hinab auf das größte der Feuer zu, dessen Schein die Silhouette eines mächtigen Trollrückens umrahmte. Milo klammerte sich an die vorderen Gitterstäbe und beobachtete hilflos die Talfahrt. Immer mehr Augen ruhten auf dem schneller werdenden Wagen, der drohte, alles und jeden zu überrollen, der ihm in die Quere kam. Goblinssprangen von ihren Lagern hoch, Orks zeigten verwundert auf das fremdartige Gefährt, und zwei Trolle grunzten verächtlich, während sie uninteressiert abwinkten.
»Platz da!«, schrie Milo. »Macht Platz, wir kommen.«
Die Warnung des Halblings fand weitreichenden Anklang, nur der breite Trollrücken, auf den sie zuhielten, rührte sich keinen Zoll. Milo dachte einen kurzen Moment darüber nach, wer bei diesem Zusammenprall mehr Schaden nehmen würde, und entschied, dass es besser wäre, sich mit den anderen beiden in den hinteren Teil des Käfigs zu zwängen. Unaufhaltsam raste der Wagen auf den Troll zu. Milo erkannte Xumita und Uschma, die Trollfrau, die dicht bei dem riesigen Grünbluter standen und abzuwägen schienen, ob sie weiterhin den Worten des Trolls lauschen oder die Flucht ergreifen sollten. Sie entschlossen sich, zu bleiben. Den Troll zu warnen und dadurch zu unterbrechen schien keine Option zu
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