Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Haus zu fallen. Außerdem hatte sich die Stimme des Mannes nicht sonderlich einladend angehört.
Milo musste auf den alten Mann einen merkwürdigen Eindruck machen, als dieser die Tür öffnete. Er stand unterhalb der Stiege, sodass sein Kopf gerade einmal bis zu den Knien des Mannes reichte. Er war schmutzig, durchnässt, augenscheinlich erschöpft und verletzt, dennoch grinste er wie ein Honigkuchenpferd. Ungeachtet dessen, wie eigentümlich er auf den Mann auch wirken mochte, erwiderte dieser das Grinsen.
»Na, wen haben wir denn da?«, brummte er freundlich. »Ein Halbling auf Wanderschaft. Was für ein seltener Anblick. Ich hatteschon befürchtet, dass das kleine Volk sich aus der Welt zurückgezogen hat und nur noch für ihre Vorgärten und Gemüserabatten lebt. Ihr seht aus, als wenn Ihr ein Bett für die Nacht bräuchtet und auch nichts gegen eine warme Mahlzeit hättet. Kommt rein und macht es Euch am Kamin gemütlich.«
Der Alte winkte ihn freundlich herein und ging zurück ins Haus. Dann machte er Halt und drehte sich noch einmal um.
»Ach, was ist nur mit meinen Manieren los?«, schalt er sich selbst. »Ich habe mich noch nicht einmal vorgestellt.« Dann ließ er sich auf ein Knie herunter und streckte Milo die Hand entgegen. »Mein Name ist Ningoth.«
»Milo Blaubeers aus Eichenblattstadt«, antwortete Milo höflich, konnte aber nicht vermeiden, dass sein Blick dabei in dem riesigen hallenähnlichen Raum umherschweifte. »Ihr könnt mich einfach Milo nennen. Herr Blaubeers wird nur mein Vater genannt.«
Ningoth lachte.
»Milo, du gefällst mir. Ich sollte mich öfter mit Leuten aus dem kleinen Volk unterhalten. Ihr seht immer alles so einfach und unkompliziert. Das ist herrlich erfrischend.«
Milo wünschte sich, dass es wirklich so wäre.
»Was ist das hier für ein Haus, Meister Ningoth?«, fragte er.
»Nur Ningoth«, antwortete der Alte. »Einen Meistertitel muss man sich erarbeiten mit Forschungen im Bereich der arkanen Magie oder dem sturen Befolgen von Glaubensgrundsätzen. Ich habe mich für keinen dieser Wege je begeistern können.«
Er zog zwei Stühle von einem der rund ein Dutzend Tische heran und bedeutete dem Halbling, sich zu setzen.
»Dies ist ein Ort für Leute, die wie du nach etwas Ruhe suchen oder nur eine warme Mahlzeit brauchen.«
Ningoth selbst setzte sich nicht zu seinem Besucher, sondern hielt auf eine offene, von einem Tresen vom Rest des Raums getrennte Küche zu.
»Hier wird aber auch jedem ein offenes Ohr geliehen, oder ihm wird Zuspruch zuteil, je nachdem, nach was einem dürstet. Undwer einfach nur einen Platz sucht, an dem er sich besaufen kann und an dem man ihm nicht die Taschen leert, wenn er über dem letzten Becher Wein einschläft, ist hier ebenfalls richtig.«
Milo sah sich erneut um. Außer Ningoth schien niemand hier zu sein. Der Raum, in dem er saß, umfasste so ziemlich das ganze Erdgeschoss. Lediglich ein kleiner Bereich war mit zwei getäfelten Wänden von einer Ecke abgetrennt. Ein knittriger Vorhang hing als Sichtschutz vor dem Durchbruch, der in den winzigen Raum führte. Dort, wo in größeren Kneipen eine Bühne für Gaukler, Barden oder Musikanten errichtet war, hatte man hier eine Art Schrein aus polierten Marmorplatten aufgebaut. Jedoch war dieser bei Weitem nicht so massig wie die, die Milo aus Tempeln kannte. Außerdem lag noch nicht einmal ein Buch, Zepter oder sonst etwas darauf. Über dem Altar hing das heilige Kreuz von Regor, dem Gott der Menschen. Je eine Treppe führte an den Seitenwänden der Gaststube hoch in das zweite Stockwerk.
»Dann ist das hier so etwas wie eine Herberge und ein Tempel zugleich«, erkannte Milo.
»Eine Zuflucht würde ich es lieber nennen«, gestand Ningoth, während er mit einer Kelle heiße Suppe aus einem Topf über der Herdstelle in eine Holzschale schöpfte. »Ein Tempel ist ein Ort, den Meister dazu gemacht haben. Sie behaupten, Regor wäre dort zu Hause und würde die Gebete seiner Kinder erhören, wenn genügend Gold in die Opferschale gelangt. Das alles sind Lügen, damit einige die Gewalt über viele nicht verlieren. Ich war es satt, mich den Prinzipien des Glaubens zu unterwerfen, und habe hier eine neue Heimstatt gegründet. Und siehe da, ich war nicht lange allein mit meinen Ansichten. Schnell sind wir hier zu einer kleinen Familie geworden, die fernab von allen Zwängen nach der Wahrheit sucht.«
Ningoth kam zurück an den Tisch und servierte Milo eine deftige Kartoffelsuppe. Dann setzte
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