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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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ihm etwas steckte.
    Milo besah sich die Tafel an der Spitze der Pyramide und konnte kaum fassen, was dort stand. Das konnte er nicht vorlesen! Also tat er so, als würde er den Ausblick genießen, und kletterte anschließend schnell wieder herab. Dann nahm er seinen Rucksack, schnallte ihn sich auf den Rücken und gab sich abmarschbereit.
    Nizzak sah ihn einen Moment lang erwartungsvoll an.
    »Wer zuerst bei der Gruppe alter Eichen ist«, stieß Milo urplötzlich hervor.
    »Keine Lust«, erwiderte Nizzak   – Misstrauen klang aus seiner Stimme heraus. »Was war dort oben?«
    »Man ist nicht hoch genug, um einen besseren Überblick zu bekommen«, erklärte Milo. »Überall nur Baumkronen. Noch nichts zu sehen von der Straße. Komm, wir sollten uns beeilen, bevor es dunkel wird.«
    Jetzt wurde Nizzak erst recht neugierig. So gut Milo klettern konnte, so schlecht war er im Lügen, wenn es darauf ankam.
    »Was war da oben?«, fragte Nizzak erneut.
    »Was meinst du?«
    »Ich meine die Tafel. Was stand darauf?«
    »Nichts Wichtiges, nur ein paar Zahlen und so ein dämlicher Spruch.« Milo winkte ab. »Komm jetzt, wir müssen weiter. Dein Schamane erwartet dich bestimmt bald zurück.«
    »Muss ich selber hinaufklettern, um es mir anzusehen?«, fragte Nizzak erzürnt. »Oder sagst du mir endlich, was auf dem Schild stand?«
    Milo schaute verlegen zu Boden. Dann murmelte er: »Hier starb König Thyrus. Vergiftet und verblendet durch das Blut des Zweitgeborenen.«
    Nizzak begann, auf der Stelle zu tanzen.
    »Ich habe es gewusst. Ich habe es gewusst«, sang er fröhlich vor sich hin. »Der Schamane ist schlau. Er weiß mehr über euch als ihr selbst. Der Zweitgeborene, es gibt ihn wirklich, und er spricht zu Xumita. Und nur zu Xumita.«
    Milo packte Nizzak am Arm, um ihn wieder zu beruhigen.
    »Die Inschrift muss nichts bedeuten. Vielleicht war Thyrus wirklich ein Zweitgeborener und nur deshalb so versessen auf Macht, weil er nie die Anerkennung seines Vaters erhalten hat. Es ist nicht viel über ihn bekannt. Es kann reiner Zufall sein.«
    Milo hätte diese Erklärung noch vor ein paar Tagen selbst geglaubt, doch jetzt war alles anders. Es gab keine Zufälle. Alles, was geschehen war, musste irgendwie im Zusammenhang stehen. Er wusste nur noch nicht wie. Etwas hatte er übersehen. Aber was?
    »Lass uns weitergehen«, sagte er abrupt. »Wir sollten zusehen, dass ich vor Einbruch der Nacht einen geeigneten Platz zumSchlafen gefunden habe. Und mit geeignet meine ich einen Platz außerhalb des Waldes.«
    »Sag noch einmal, was auf der Tafel steht«, forderte Nizzak aufgeregt.
    »Hier starb König Thyrus. Vergiftet und verblendet durch das Blut des Zweitgeborenen«, wiederholte Milo mürrisch. »Kletter doch hoch und sieh es dir selbst an, wenn es dir so viel Freude macht.«
    »Ich kann nicht lesen«, gestand Nizzak.
    Mit diesen Worten wandte er sich ab, ließ Milo stehen und machte sich auf den Weg nach Osten, Richtung Waldrand.
    Milo blieb zurück und schaute auf seine schmutzigen und von Dornen zerkratzten Füße. Etwas hatte sich verändert. Es war nicht nur, dass er weit weg von zu Hause war. Schon öfter hatte er Tante Rubinia besucht, und auch über die Grenzen des Düsterkrallenwaldes hinaus war er mit seinem Vater gereist. Nach Schmiedlingen und Bochdün oder einem der anderen kleinen Dörfer, um Kürbisse, Steckrüben und Kartoffeln ihrer heimischen Ernte zu verkaufen, die sie nicht für den Wintervorrat benötigten.
    Seit dem Vorfall in Eichenblattstadt schien alles in ein düsteres Licht getaucht zu sein. Die Leichtigkeit, mit der er jeden Tag begonnen hatte, der Spaß daran, Dinge zu tun, die für Gesprächsstoff in der Dorfgemeinschaft sorgten, der ewige Wettstreit mit seinem Bruder und die Unbeschwertheit, mit der sie jeden Tag aufs Neue meisterten, waren verflogen.
    Er hatte sich verändert. Die Welt um ihn herum hatte sich verändert. Wenn er gekonnt hätte, hätte er mit Bonne gewettet, dass alles wieder so werden würde, wie es war, doch das war nicht möglich.
    Milo sah Nizzak hinterher.
    »Weg von den albernen Spielereien hinein in ein richtiges Abenteuer?«, flüsterte er sich selbst zu. »Vater würde uns erschlagen.«
    Die Sonne war bereits untergegangen, und sie hatten es noch nicht geschafft, den Rand des Waldes zu erreichen. Milo verlor Nizzak immer häufiger aus den Augen. Gelegentlich erspähte er ihn dann kurz zwischen zwei Bäumen, vor einem Dickicht oder einer kleinen Anhöhe aufs Neue, nur um ihn

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