Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
William und Tom sein. Dann muss das Wasser für die Viehtröge nicht mehr mühsam herangekarrt werden, und sie können ihr eigenes Viehfutter anbauen.« Sybil schwieg nachdenklich. Sie musste an Tom denken, dessen Missmut und Zorn auf seinen Bruder sie betroffen gemacht hatte.
Die beiden Frauen waren nur einige Schritte weit gekommen, als ein lautes Zischen sie zusammenfahren ließ. Sie drehten sich um und sahen, wie Tom zu Boden geschleudert wurde. Einen Sekundenbruchteil später landete ein Eingeborenenspeer unmittelbar vor Abbey. Sie schrie erschrocken auf.
»Tom!«, kreischte Sybil. Sie wollte zu ihm eilen, doch Abbey packte sie und zerrte sie instinktiv hinter einen mächtigen Baum in Deckung. Pater John und Elias hatten sich flach auf den Boden geworfen und schrien ihnen zu, sie sollten bleiben, wo sie waren.
William war zu seinem Gewehr gehechtet, das keine zwei Meter von ihm entfernt gelegen hatte. Er feuerte ein paar Schüsse in Richtung der Bäume entlang der Straße ab. Der Krach zerriss die friedliche Stille. Vögel flogen zeternd auf. Die Aborigines, von denen sie offenbar angegriffen wurden, stießen lautes Geheul aus. Ein zweiter Speer flog zischend durch die Luft und blieb in dem Baum stecken, hinter dem Abbey und Sybil Schutz gesucht hatten. Es tat einen dumpfen Schlag, und die beiden Frauen kreischten erschrocken auf.
William lud nach und feuerte noch einmal. Da lösten sich einige Aborigines, vielleicht fünf an der Zahl, aus dem Schatten der Bäume, flüchteten über die Straße und verschwanden.
William wartete, bis er sicher war, dass sie nicht zurückkehren würden. »Tom! Alles in Ordnung?« Er lief zu seinem Bruder, der sich vor Schmerzen wand.
»Mein … Arm!«, ächzte er mit schmerzverzerrtem Gesicht und hielt sich den Arm. Sein Hemdärmel war blutdurchtränkt, Blut sickerte ihm zwischen den Fingern hindurch.
William riss den Ärmel auf und besah sich die Wunde. Pater John war neben ihm niedergekniet, während Elias das Gewehr an sich genommen hatte und Wache hielt. William und der Pater wechselten einen Blick. »Du hast Glück gehabt«, meinte William. »Das ist nur eine Fleischwunde.« Der Speer hatte den Muskel durchbohrt.
Abbey und Sybil spähten hinter dem Baum hervor. Beide zitterten vor Angst.
»Bist du verletzt, Tom?«, schrie Sybil. Als sie William und den Pater neben ihrem Jüngsten sah, lief sie zu ihm, so schnell ihre Beine sie trugen.
»Ich werd’s überleben, Mutter«, stieß Tom gepresst hervor. Stöhnend setzte er sich auf. »Diese verdammten Aborigines! Hast du einen von ihnen erwischt, William?«
»Ich glaub nicht. Die hatten sich gut versteckt in den Bäumen.«
»Elias, wir müssen Tom ins Haus schaffen«, sagte Sybil. »Seine Wunde muss so schnell wie möglich versorgt werden.«
Abbey, die Sybil gefolgt war, rang hilflos die Hände. Sie war kreideweiß im Gesicht. Der Schrecken steckte ihr noch in den Gliedern. Sie wünschte, Jack wäre da. In seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher und geborgen.
»Wo ist Clementine jetzt?«, fragte Jack, als er mit Lance Buckingham vor den verkohlten Überresten von Clementines Laden und Haus stand. Ein paar Schaulustige hatten sich eingefunden und starrten bestürzt auf die Ruinen. Noch immer hing beißender Rauch in der Luft. Der Laden befand sich am Ende der Hauptstraße, und ein Übergreifen des Feuers auf die benachbarten Häuser hatte nur mit größter Mühe verhindert werden können. Lance hatte Jack unterwegs von den dramatischen Rettungsversuchen der Ladenbesitzer berichtet, die neben, hinter oder über ihren Geschäften wohnten und das Feuer mit Wassereimern bekämpft hatten, bis der Spritzenwagen eingetroffen war. Der größte Schaden war im hinteren Teil von Clementines Haus entstanden, von wo sich das Feuer über einen Pfefferbaum auf den Laden ausgebreitet hatte. Von dem Baum mit den zarten grünen Blättern und den roten Beeren war nur ein schwarz verkohltes Gerippe übrig geblieben.
»Die McKenzies haben sie und ihren Vater bei sich im Railway Hotel aufgenommen«, antwortete Lance. »Molly kümmert sich rührend um die beiden.«
Mike und Molly McKenzie, denen das Hotel gehörte, waren Freunde von Jack. Beide waren Ende fünfzig und hatten zwei erwachsene Kinder. Ein Sohn versuchte sein Glück als Goldgräber in Queensland, der andere besaß ein Fuhrunternehmen, dessen Wagen auf der Strecke zwischen Burra und den Kupferminen von Kapunda verkehrten.
Jack bedankte sich bei Lance und eilte zum Hotel.
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