Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
er schließlich. »Ich glaube, er hat nicht viele wahre Freunde, ich meine, solche, denen er seine innersten Empfindungen anvertrauen würde.« Er hatte eine gute Stunde lang versucht zu ergründen, was Heath zu seiner Handlungsweise bewogen hatte, aber der junge Mann hatte hartnäckig geschwiegen. Die Frage war allerdings, ob er sein Herz einer hübschen jungen Frau ausschütten würde. Wahrscheinlich würde er sich eher darüber Gedanken machen, wie er sie in sein Bett locken könnte. Aber Clarence sagte sich, dass jede Ablenkung besser war als gar keine.
Plötzlich kam Abbey ein schrecklicher Gedanke. »Er … er ist doch nicht vom Dach gesprungen, oder?« Sie musste an den düsteren, Furcht einflößenden Ausdruck auf seinem Gesicht denken, mit dem er in die Tiefe gestarrt hatte.
»Vom Dach?«, wiederholte Clarence verblüfft.
Abbey nickte.
»Gütiger Himmel, nein, natürlich nicht, das hätte er niemals überlebt. Wie kommen Sie denn darauf?«
»Er ist mit mir hinaufgegangen, um mir die Aussicht zu zeigen, und da war etwas in seinem Blick, als er in die Tiefe schaute, das mir Angst machte.« Sie schauderte, als sie an den Tag zuvor dachte.
Clarence nickte langsam. »Ich verstehe. Nun, was meinen Sie, werden Sie ihn besuchen?« Er sah sie forschend an.
»Ja«, antwortete Abbey mit einem Blick auf Jack. Sie hoffte, dass er es verstehen würde. »Ja, das werde ich.«
»Gut, dann werde ich Ihnen sagen, was passiert ist. Aber zu niemandem ein Wort, haben Sie verstanden?«
Abbey nickte. »Ich werde es für mich behalten, ich verspreche es.«
»Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten.«
Abbey schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.
»Enttäuschen Sie ihn nicht«, fuhr Clarence fort. »Ein wahrer Freund ist im Moment sehr wichtig für ihn.« Und eine wunderschöne Frau würde besonders heilsam für ihn sein.
Jack war nicht begeistert von Abbeys Entschluss, Heath noch einmal zu besuchen, und Sybil ging es genauso. Die beiden wechselten einen viel sagenden Blick.
»Ich werde Sie begleiten, Abbey«, sagte Sybil.
»Wirklich?«, meinte Abbey erfreut. »Das ist sehr nett von Ihnen, vielen Dank. Wir werden gleich morgen Früh nach Martindale Hall fahren. Das heißt, natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist, Mr. Hawker.«
»Ich habe nichts dagegen. Wenn Mutter mitgeht, bin ich beruhigt«, erwiderte Jack.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Heath jemand anderem ein Leid antut«, sagte Clarence kopfschüttelnd.
»Aber das wissen wir nicht genau«, gab Jack zu bedenken. »Ich habe den Eindruck, er ist ziemlich unberechenbar.«
Seine Worte jagten Abbey, die genau das Gleiche dachte, einen eisigen Schauder über den Rücken.
Am anderen Morgen machten sich Sybil und Abbey mit dem Buggy auf den Weg nach Martindale Hall. Jack hatte darauf bestanden, dass sie vorsichtshalber ein Gewehr mitnahmen. Er nahm den Vorfall vom Tag zuvor sehr ernst. Er war froh, dass die beiden für einige Stunden fort waren. Er und seine Brüder hatten nämlich vor, die Aborigines, die sie angegriffen hatten, aufzuspüren und davonzujagen. Sybil wäre krank vor Sorge um ihre Söhne, wenn sie das wüsste, deshalb traf es sich ganz gut, dass sie einige Meilen weit weg war.
Abbey und Sybil waren noch keine fünf Minuten fort, als Tom angeritten kam. Er berichtete, wie er und William die arme Martha im Farmhaus vorgefunden hatten. Sie hatte sich drinnen verbarrikadiert, weil Aborigines ums Haus herumgestrichen waren, durch die Fenster gespäht und gegen die Tür gehämmert hatten, auf der man sogar Kerben ihrer Speere sehen konnte. Erst als Martha mit der Flinte in der Hand ans Fenster getreten war und ihnen gedroht hatte, waren sie verschwunden.
»Ich werde Ernie Carpney sagen, er soll bei ihr bleiben, während wir Jagd auf diese Unruhestifter machen«, sagte Jack. »Was macht dein Arm?«
»Dem geht’s schon viel besser. Tut noch ein bisschen weh und ist steif, aber ich kann’s aushalten. Wo ist Mutter?« Tom blickte sich suchend um.
»Nicht da«, lautete die knappe Antwort. Jack sah seinen Bruder fest an. »Eigentlich hast du gehofft, Abbey wiederzusehen, nicht wahr?«
»Könnte schon sein«, gab Tom grinsend zu. Immerhin besaß er so viel Anstand, ein zerknirschtes Gesicht zu machen, weil Jack ihn durchschaut hatte. »Du musst zugeben, eine so wunderschöne junge Frau trifft man hier draußen nur selten.«
Jack zog die Stirn in Falten, sagte aber nichts. Schließlich war Clementine im Haus.
»Abbey ist doch nicht tabu,
Weitere Kostenlose Bücher