Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
steht sie noch unter Schock, aber wer weiß, wie sie reagieren wird, wenn ihr alles zu Bewusstsein kommt. Sie können mich jederzeit rufen, falls eine Veränderung eintritt.«
»Ich danke Ihnen, Doktor. Es tut mir leid, dass Sie den weiten Weg von Burra hierher machen mussten, aber Dr. Ashbourne geht es im Moment wohl nicht sehr gut, und seine Vertretung konnten wir nicht finden.«
»Sie meinen Dr. Vernon Mead, nehme ich an. Ich vertrete ihn zurzeit in Burra«, erwiderte Philip ernst.
»Oh.« Jack fand diese Regelung ein bisschen umständlich, sagte aber nichts.
»Er hat mich gefragt, ob ich seine Praxis übernehmen könnte, solange er selbst Dr. Ashbourne in Clare vertritt«, erklärte Philip.
»Ich verstehe. Dr. Mead muss einen Hausbesuch gemacht haben, als wir den Kutscher nach ihm schickten.«
Der junge Arzt räusperte sich. »Nein, leider nicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, ich … ich fürchte, das wird ein weiterer Schock für Sie sein, Mr. Hawker, aber …« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Dr. Mead ist tot.«
»Was?« Jack machte ein erschrockenes Gesicht.
Philip Boxborough warf einen Blick in Abbeys Zimmer. Louise hatte ihr die weichen Kissen aufgeschüttelt und Mrs. Hendy ihr den heißen Tee gereicht. Der Arzt zog Jack ein Stück zur Seite. »Er hat gestern Abend Selbstmord begangen.«
Jack war wie vom Donner gerührt. »Das … das kann doch nicht sein!«
»Leider doch. Er hat anscheinend einen kurzen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er sich die Schuld am Tod des alten Mr. Mason gibt. Er könne nicht länger mit dieser Schuld leben.«
»Das verstehe ich nicht«, stammelte Jack fassungslos. »Ich dachte, der alte Mason sei an Herzversagen gestorben.«
»Dr. Mead hat offenbar geglaubt, dass eine Arznei, die er ihm gab, zu seinem Tod geführt hat. Kurz bevor er sich das Leben nahm, ließ er dem Anwalt der Familie Mason, einem Mr. Martin, seinen Abschiedsbrief zukommen. Mr. Martin setzte sich mit mir in Verbindung, weil in dem Brief einige Medikamente erwähnt waren, die Dr. Mead in seiner Praxis aufbewahrte.« Der junge Arzt zog seine Taschenuhr heraus. Es war weit nach Mitternacht. »Mr. Martin wird sicher heute noch vorbeikommen, um Heath Mason über die Angelegenheit zu informieren. Ich werde auf dem Heimweg bei ihm vorbeischauen und ihm mitteilen, was geschehen ist.«
Jack nickte. »Was werden Sie als Todesursache auf dem Totenschein eintragen, Doktor?«
Der Arzt dachte kurz nach. »Nun, es war ein Unglücksfall mit tödlichem Ausgang. Unfalltod ist daher angemessen, denke ich.«
Louise und Mrs. Hendy kamen aus dem Zimmer. Jack bedankte sich noch einmal bei dem jungen Arzt, der sich verabschiedete, und ging dann zu Abbey hinein.
»Ich wollte nur noch einmal kurz nach dir sehen«, sagte er zärtlich. Er beschloss, ihr vorerst nichts von Dr. Meads Selbstmord zu sagen, sie hatte in den letzten Stunden schon genug durchgemacht. »Versuch, ein wenig zu schlafen.«
»Ich würde ja gern, aber ich glaube, ich kann nicht«, murmelte Abbey. »Mir geht so viel im Kopf herum.«
»Kein Wunder, nach dieser grauenvollen Nacht.«
»Du hast mir das Leben gerettet, Jack. Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich jetzt nicht hier«, wisperte sie mit Tränen in den Augen.
»Ich hatte solche Angst, ich würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen.« Ihm war fast das Herz stehen geblieben, als er die Auffahrt hinaufgerannt war und beobachtet hatte, wie Heath sie über das Geländer zu stoßen versuchte. Er hatte hinaufgebrüllt, aber Abbeys gellende Entsetzensschreie hatten alles übertönt.
Abbey dachte an das unschuldige Kind, das sie verloren hatte. Traurigkeit legte sich wie ein dickes schwarzes Tuch über sie. Obwohl sie das kleine Wesen nur so kurze Zeit in sich getragen hatte, spürte sie eine seltsame, verzweifelte Leere. »Ich habe das Kind verloren«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich hätte es dir sagen sollen, aber ich habe mich so geschämt.« Sie drehte den Kopf zum Fenster.
Jack legte seine Hand auf ihre, die sich eiskalt anfühlte. »Was der alte Mason dir angetan hat, war nicht deine Schuld, Abbey. Ich wünschte nur, du hättest mir vertraut. Ich hätte alles getan, um dir zu helfen, und meine Mutter genauso.«
Das sagt er jetzt, weil er Mitleid mit mir hat, dachte Abbey. Clementines Worte klangen ihr noch im Ohr. Doch sie erwiderte nichts. Eine bleierne Müdigkeit überkam sie, und sie machte die Augen zu. Sekunden später war sie eingeschlafen.
Jack
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