Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
holen.« Sie wusste, dass sie sich die Mühe sparen konnte, weil ihre Wohnung längst geplündert wäre. Es würde ihr kein Andenken an ihren Vater bleiben, und der Gedanke stimmte sie traurig. Aber es war zu riskant, nach Hause zurückzukehren. Vielleicht hatte sie Glück, und Vera Nichols würde ein paar ihrer persönlichen Habseligkeiten für sie aufbewahren.
»Ich muss jetzt wieder an die Arbeit«, sagte Elsa.
»Und was soll ich tun?«
»Warum schauen Sie nicht, wo Mrs. Hawker ist und leisten ihr Gesellschaft? Das ist doch Ihre Aufgabe, oder nicht?«
Abbey nickte. »Wie ist Mrs. Hawker denn so, Elsa?«
Das Mädchen zögerte.
»Ich werde es auch bestimmt nicht weitererzählen«, versprach Abbey. »Ich möchte nur wissen, was mich erwartet.«
»Ich fürchte, ein Zuckerschlecken wird es nicht sein«, meinte Elsa nur. Sie drehte sich um und verließ das Zimmer.
Abbey sah ihr bestürzt nach und folgte ihr dann, nervöser als je zuvor.
6
Abbey ging nach unten und suchte Sybil Hawker. Zu guter Letzt fand sie sie im Wohnzimmer, wo sie kerzengerade, die Arme vor der Brust verschränkt, in einem Ohrensessel mit geblümtem Bezug am Fenster saß. Sie machte einen unnahbaren Eindruck.
»Da sind Sie ja, Mrs. Hawker«, rief Abbey mit gespielter Fröhlichkeit.
Sybil streifte sie mit einem missmutigen Blick und fauchte: »Was wollen Sie?«
Abbey machte den Mund auf und wieder zu, während sie fieberhaft nach einer Erwiderung suchte. »Elsa hat … mir mein Zimmer gezeigt … es ist ganz bezaubernd«, stammelte sie und ärgerte sich über sich selbst, weil ihr nichts Geistreicheres einfiel. Sie hätte gern hinzugefügt, dass sie noch nie ein eigenes Zimmer gehabt hatte, doch sie schwieg, weil sie sich eine weitere Peinlichkeit ersparen wollte.
Sybil starrte angestrengt aus dem Fenster.
Eine geschlagene Minute verstrich, ohne dass ein Wort gesprochen wurde.
»Ich habe gehört, wie Sie sich mit dem Koch gestritten haben«, sagte Abbey schließlich in die dumpfe Stille hinein.
Keine Antwort.
Abbey unternahm einen neuerlichen Versuch. »Ihr Sohn hat mir erzählt, dass der Koch heute fastet. Ich verstehe nur nicht, warum er sich weigert, für alle anderen zu kochen.«
»Hindus fasten nun einmal an bestimmten Wochentagen, weil ihre Religion es ihnen vorschreibt«, erwiderte Sybil ungeduldig.
»Das mag ja sein, aber Kochen ist doch seine Aufgabe. Ob er selbst nun etwas isst oder nicht.«
Sybil wandte sich ihr zu und funkelte sie böse an. »Sabu ist eine sehr vielschichtige Persönlichkeit und ein angesehenes Mitglied dieses Haushalts. Ich rate Ihnen dringend, ihn nicht über seine Pflichten zu belehren.«
»Das hatte ich auch nicht vor«, erwiderte Abbey schnell. »Das steht mir gar nicht zu. Ich möchte nur verstehen, warum er sich weigert zu kochen.«
»Heute ist ein Hindu-Festtag. Ach, das verstehen Sie ja doch nicht, und ich hab keine Lust, lange Erklärungen abzugeben.« Sybil machte eine wegwerfende Handbewegung und wandte sich übellaunig wieder dem Fenster zu, durch das man in den Vorgarten schauen konnte.
»Wie Sie wünschen.« Abbey war ohnehin nicht an Sabus religiösen Überzeugungen interessiert. »Aber ich könnte mir denken, dass Ihr Sohn Hunger hat nach einem langen Arbeitstag. Warum kochen Sie dann nicht für ihn?«
Sybil fasste den Vorschlag als Kritik auf. Sie fuhr herum und schnappte empört nach Luft. »Ich? Kochen? Ich habe nicht mehr am Herd gestanden seit …«, sie dachte nach, »seit Jack und seine Brüder Kinder waren. Ich war nie eine gute Köchin, schon damals nicht. Mein verstorbener Mann konnte besser kochen als ich. Ich bin Künstlerin, und Künstler taugen nicht für niedere Arbeiten.« Sie hatte das so oft betont, wenn Gerald ein Essen auf dem Tisch und ein geputztes Haus erwartet hatte, dass er es irgendwann aufgegeben und eine Haushaltshilfe eingestellt hatte.
Abbey traute ihren Ohren nicht. So einen Unsinn hatte sie schon lange nicht mehr gehört, aber sie hütete sich, das laut zu sagen. Stattdessen fragte sie: »Kann ich sonst irgendetwas für Sie tun?«
»Ja, Sie können mich in Ruhe lassen«, fuhr Sybil sie an. »Und kommen Sie ja nicht auf die Idee, lange Finger zu machen! Ich werde Sie und meinen Schmuck im Auge behalten, verlassen Sie sich darauf.«
Abbey zuckte zusammen, als hätte sie eine Ohrfeige bekommen. Für eine Diebin gehalten zu werden verletzte sie tief. Ihre Lippen zitterten, Tränen stiegen ihr in die Augen. Hastig wandte
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