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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Viertelstunde? Danke.«
    Sie legte auf und lächelte das Telefon an. Ein Frühstück im Bett – auch das war schon eine Ewigkeit her.
    Unwillkürlich fiel ihr Blick auf einen Zettel neben dem Telefon, auf dem ihr der Name »Valaisi« ins Auge stach. Es handelte sich um eine Art Kostenaufstellung: Geld für Valaisis, zwei Millionen. Provision für Ane, einhunderttausend. Löhne im ersten Monat, sechzigtausend. Verladekosten pro tausend Stämme, Schiffsfracht pro tausend Stämme, Zölle für Holz …
    Evelyn runzelte die Stirn.
    Sie hörte ein Geräusch, und im nächsten Moment kam Ray aus dem Schlafzimmer.
    »Hallo, Darling«, sagte er. »Was machst du da?«
    »Ich …«
    »Ich habe Stimmen gehört. Hast du Selbstgespräche geführt oder meine Telefonrechnung mit einem Ferngespräch nach Deutschland belastet?«
    Nackt und stark wie Herakles stand er vor ihr und küsste sie, wobei er ihren Kopf gegen sich presste. »Na, wie hat dir das gefallen?«
    »Ich – ich habe Frühstück bestellt. Es ist in einer Viertelstunde da.«
    »Gut«, sagte er und strahlte sie mit seinen pfefferkorngroßen Pupillen an. »Dann geh ich noch schnell duschen. Willst du mitkommen?«
    »Äh, nein. Ich wollte sagen, ich komme gleich nach. Mir fehlt ein Ring. Ich muss ihn hier irgendwo verloren haben.«

    »Wie du willst. Aber dir entgeht etwas.«
    Als sie die Dusche rauschen hörte, überflog sie noch einmal die Aufstellung. Obwohl sie keine Expertin für Hotelbau war, fiel ihr dennoch auf, dass keinerlei Baukosten aufgeführt waren. Stattdessen drehte sich alles um Rodungsarbeiten und Weiterverarbeitung von Stämmen.
    Sie öffnete eine Schublade des Schreibtischs, in der nur Bürokram herumlag, dann eine zweite, eine dritte, und dort schließlich stieß sie auf eine Mappe.
    Sie öffnete sie. Darin enthalten war eine Expertise, in der die Qualität der Tropenhölzer auf Samoa beurteilt wurde sowie die Möglichkeiten der Weiterverarbeitung. Das Angebot eines Möbelherstellers lag bei, die genannten Summen waren beachtlich. Auf einem Briefbogen fand sie den Namen von Rays Firma: Kettner’s Wood.
    Holz. Alles drehte sich um Holz.
    Sie suchte weiter, in Schubladen, auf dem Schreibtisch, in einer Aktentasche. Sie ging durchs Zimmer und hielt nach Skizzen oder Plänen Ausschau. Doch was auch immer sie fand, es hatte nichts mit einem geplanten Hotel zu tun.
    Sie hörte Schritte auf dem flanellweichen Boden, drehte sich um – und er stand vor ihr.
     
    Wieso nur glaubt alle Welt, Samoa ist das Paradies, fragte sich Ane, als sie über die Beach Road lief und die Auslagen in den Schaufenstern betrachtete. Hier konnte man doch noch nicht einmal schöne Dinge einkaufen! Sie konnte die Gipsbüsten von Robert Louis Stevenson und die falschen Perlenketten, die wie Kinderspielzeug aussahen, einfach nicht mehr sehen. Diese Armseligkeit machte sie fast krank.
    Wohin sie auch blickte, entdeckte sie Verfall. Die Kolonialfassaden mochten ja einst recht hübsch gewesen sein – Ili
betete diese Litanei jedenfalls andauernd herunter –, aber heutzutage waren sie angegraut, windschief und eingezwängt zwischen modernen Regierungsgebäuden, und die Spuren der Orkane von 1990 und 1991 waren auch noch immer zu sehen. Entlang der Promenade, an den Ständern der Souvenirshops, zappelten die immer gleichen Kleider im Wind, so bunt und dünn, dass sie anderswo nur als Putzlappen gedient hätten. Boutiquen, in denen man richtige feine Kleider einkaufen konnte, gab es fast gar nicht, von einem Einkaufszentrum wie in Sydney ganz zu schweigen. Einkaufszentrum auf samoanisch! Was hätte man dort schon bekommen können, außer Bananen und Gipsbüsten!
    Bei diesem Gedanken musste sie verächtlich lächeln. Sie gehörte nicht hierher, das war ganz offensichtlich, und es war gemein und egoistisch von ihrer Großmutter, dass sie sie all die Jahre hierbehalten hatte und ihr außer einem mageren wöchentlichen Taschengeld, das ihr wie Hundefutter in einer Holzschale überreicht worden war, nichts gegeben hatte. Noch mit fünfzehn Jahren hatte sie eineinhalb Dollar pro Woche bekommen, gerade so viel, dass sie sich davon eine Kinokarte und eine Dose Cola hätte leisten können. Doch sie ging nicht ins Kino, denn das hätte bedeutet, mit den samoanischen Jungen verkehren zu müssen, und das wollte sie auf keinen Fall. Lieber blieb sie allein, lieber einsam sein, als sich mit künftigen Bauern abzugeben, mit einem von ihnen in einem Anfall von Lust zu schlafen, sein Kind

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